Madschdal Schams, Ismail Hanija und die deutschen Medien

Wieder einmal bin ich von Südkorea nach Europa gereist. Den größten Teil meiner Reise verbringe ich in Deutschland. Zu einem Urlaub in deutschen Gefilden gehört in gewisser Weise auch, zu erfahren, was und wie die deutschen Medien berichten. Natürlich ist dies auch in Südkorea möglich. Doch aufgrund des Zeitunterschiedes und der leichteren Verfügbarkeit von Fernsehkanälen- und Druckerzeugnissen in Deutschland, kann der in Deutschland weilende Besucher sich schneller ein Bild von den deutschen Massenmedien machen als der im Ausland Lebende.

In Madschdal Schams, einem Ort in den von Israel besetzten Golan-Höhen, kamen nach israelischen Angaben am 27. Juli bei einem Anschlag auf einem Fußballfeld 12 Menschen, Kinder und Jugendliche, ums Leben. Israel macht dafür die libanesische Miliz Hisbollah verantwortlich. Diese streitet jedoch ab, den Anschlag verübt zu haben. Das ZDF und die ARD sowie der Südwestrundfunk übernehmen ungefiltert die israelische Version.

Unisono heißt es dort, Hisbollah habe den Anschlag in Madschal Schams verübt. Beim Südwestrundfunk und in den Heute-Nachrichten ist von der Hisbollah als einer „Terrororganisation“ die Rede. Stets thematisierten die deutschen Medien in den vergangenen Tagen die Sicherheit Israels, als sei Israel ein Teil Deutschlands, und den Tod der drusischen Kinder, für die israelische Politiker nur Krokodilstränen übrig haben. Die mutwillige Zerstörung des Gazastreifens durch die IDF und das zehntausendfache Sterben der dort lebenden Kinder spielen für die etablierten deutschen Medien derzeit eine geringere Rolle.

Applaus für Netanjahu, gegen den der Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofes einen Antrag auf Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen gestellt hat, vor dem US Kongress am 24. Juli 2024

Doch würde ein solcher Anschlag, wie er sich am 27. Juli ereignete, überhaupt in die bisher gefahrene Strategie der libanesischen Hisbollah passen? Tatsächlich würde dieser der Strategie des gezielten Angriffes auf Militäreinrichtungen in den besetzten Golan-Höhen und der stufenweise Vergeltung widersprechen. Hisbollah hatte mehrfach erklärt, kein Interesse an einer unkontrollierbaren Eskalation mit Israel, die zu einem größeren Krieg führen könnte, zu haben. Warum sollte diese Organisation dann ausgerechnet eine derartige Eskalation mit einem solchen Anschlag herbeiführen? Plausibler erscheint es, den Einschlag auf eine abgelenkte israelische Flugabwehrrakete zurück zu führen.

Doch Israel wartet nicht bis Untersuchungsberichte einer unabhängigen internationalen Kommission vorliegen. Es nutzt Hisbollahs angeblichen Anschlag in einer solchen Situation, wie der jüdische Autor Norman Finkelstein sagt, für eine schrittweise Eskalation. So lotet es einerseits die Entschlossenheit seiner Feinde aus, kann neue Standards des ungestraften Agierens etablieren. Andererseits erreicht es auf diese Weise den Punkt, ab dem seine Feinde aus politischen, sozialen oder militärischen Gründen nicht mehr anders können als Stärke zu zeigen, was in der Regel mit einer militärischen Aktion einhergeht. Falls Israel dann nicht mehr weiter könnte, so lautet Netanjahus Kalkulation, würden ihm seine Alliierten – wie in Israels Kriegen des 20. Jahrhunderts – aus der Patsche helfen.

Am 31. Juli ermordete Israel den aus Wahlen im Jahre 2006 hervor gegangenen Leiter des politischen Büros der Hamas, Ismail Hanija, in Teheran. Damit vernichtete es auch die Möglichkeit eines Waffenstillstandes, denn Hanija wäre auf Seiten von Hamas für eine Waffenstillstandsvereinbarung verantwortlich gewesen. Über die Hinrichtung gibt es verschiedene Versionen. Eine, über die auch die New York Times berichtete, lautet, sie sei mit einer ferngezündeten Bombe erfolgt. Diese hätten israelische Geheimdienstleute bereits zwei Monate vorher in dem Gästehaus, in dem Hanija seine letzten Tage in Teheran verbrachte, installiert.

Während die New York Times und ausländische Medien zumindest von einer „Hinrichtung“ sprechen, heißt es in deutschen Medien lapidar, Hanija sei „getötet“ worden. Eine „Tötung“ kann auch ungewollt erfolgen, etwa infolge eines unbeabsichtigten Autounfalles. Mit dieser Verschleierung wollen deutsche Medien den Vorfall offenbar entdramatisieren. „Die Welt“ spricht von „Ausschaltung“. Diese Wortwahl erinnert an den Wortschatz von Netanjahu, an Begriffe wie „Neutralisierung“, „Unschädlichmachung“ oder „Eliminierung“, die die Hinrichtung von Kriegsgegnern, Schwerverbrechern oder Terroristen bezeichnen.

CNN feiert die Kompetenz des israelischen Geheimdienstes – die Frage der Legitimation ist unwesentlich


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