BIP – Aufklärung und Völkerver­­­ständigung

Mit BIP meine ich hier nicht „Bruttoinlandsprodukt“, sondern das „Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern e.V.“ Im Vorstand, im Beirat und unter seinen Gründungsmitgliedern sind und waren bekannte Journalisten, Aktivisten, Politiker und Lehrer. Vielleicht weil dieser Verein, der zur „Völkerverständigung sowie der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur“ (§3 Satzung) zwischen Israelis und Palästinensern aufruft, auch von humanistischen Juden initiiert worden ist, betreibt er eine der wenigen deutschen Webseiten, die, wohltuend ohne Fremdwerbung, aber in regelmäßig erscheinenden Beiträgen sachlich und fundiert die jahrzehntelange brutale israelische Besatzungspolitik und die Unterdrückung und Vernichtung palästinensischen Lebens in den von Israel besetzten Gebieten darstellt. Ebenso zeigt er Alternativen auf.

Man kann kaum bezweifeln, dass Deutschland als politisch einflussreichste Macht in der EU mit der größtem europäischen Volkswirtschaft auch politisch zu den einflussreichsten Staaten der Welt gehört. Allerdings ist Deutschland weder in der Lage, global den Weltpolizisten zu spielen, und es dürfte auch nicht seine Aufgabe sein, weltweit anderen Ländern vorzuschreiben, welche Politik sie zu betreiben haben.

Wichtiger sollte es für jedes Land sein, also auch für Deutschland, ehrlich und friedlich seine Interessen zu verfolgen und sich zuerst um die eigene Bevölkerung zu kümmern. Dennoch hat Deutschland als weltweit drittgrößter Exporteur, Motor der europäischen Vereinigung und viertgrößter Förderer der Vereinten Nationen auch eine Rolle bei der Gestaltung internationaler Verständigung. Deutschland kann in begrenztem Rahmen seine Macht einsetzen, eine Politik zu unterstützen, die nach sorgfältiger Analyse als förderlich für ein friedliches Zusammenleben und die Völkerverständigung erscheint, und eine Politik erschweren, die voraussichtlich das Gegenteil bewirken würde.

Was kann Deutschland tun?

Ähnlich sieht es auch das BIP. Wer die israelische Politik kritisiert und nicht als Antisemit erscheinen will, muss fast schon ein Studium der Politikwissenschaft oder Jura absolviert haben, die es ihm erlauben, die vielen in Deutschland geltenden Regeln nicht zu verletzen. Selbst Juden müssen deshalb in Deutschland sehr genau aufpassen, was sie sagen.

Deutschland ist in vielerlei Hinsicht in der Pflicht, wenn es um eine Lösung des palästinensisch-israelischen Konflikts geht.

Deutschland ist Verbündeter der USA und wichtiges Mitglied der Europäischen Union, die beide wesentliche militärische, wirtschaftliche und politische Partner Israels sind. Die deutsche Politik kann den Konflikt im Alleingang nicht lösen. Aber der Beitrag Deutschlands zu einer Lösung ist in der Vergangenheit hinter dem Gewicht zurückgeblieben, das sich Deutschland an anderen Stellen in der internationalen Politik zu Recht beimisst.

Ein Grund für Deutschlands Zurückhaltung ist die Behauptung, die Deutschen dürften sich aufgrund ihrer antisemitischen Vergangenheit nicht erlauben, die Politik Israels zu kritisieren oder gar Israels Regierung Ratschläge zu erteilen. Jedoch kann es aus der langen Geschichte der Diskriminierung der Juden im christlichen Europa nicht die richtige Lehre sein, die Augen vor aktuellem Unrecht zu verschließen. Eine solche Einstellung entspricht weder dem Völkerrecht noch den Menschenrechten; sie entspricht auch nicht den Notwendigkeiten für die Lösung des Konflikts, die dauerhafte Sicherheit Israels und das friedliche Zusammenleben Israels mit seinen Nachbarn; und sie entspricht nicht den Interessen Deutschlands im Nahen Osten und in der internationalen Politik.

In Deutschlands Öffentlichkeit hat sich ein grundlegender Wandel der Empathie vollzogen. Die Fortsetzung der Besatzung, die anhaltenden Verstöße gegen das Völkerrecht, namentlich die Siedlungspolitik, sowie die Ablehnung aller internationalen Bemühungen zur Beendigung des Konflikts haben zur Abkehr von den Sympathien geführt, die Israel einmal in der deutschen Bevölkerung hatte. Demgegenüber sind die Leiden der palästinensischen Bevölkerung und das Unrecht, das ihr täglich zugefügt wird, in den Vordergrund der Aufmerksamkeit getreten.

Auch im politischen Raum werden Kritik, Frustration und Besorgnisse geteilt. Jedoch wird von zahlreichen Angehörigen der politischen Klasse und Teilen der Medien nur hinter vorgehaltener Hand offen gesprochen, dagegen in der Öffentlichkeit behauptet, Kritik an Israel speise sich aus Antisemitismus. Dieses Verhalten lähmt die deutsche Politik und vertieft die Kluft zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung. Außerdem vermengt es die am Menschen- und Völkerrecht orientierte Kritik an Israel mit menschenrechtsfeindlicher Diskriminierung von Juden.

Diese Lähmung deutscher Politik vermindert das Gewicht europäischer und internationaler Initiativen, die in letzter Zeit für die Stärkung der politischen Position der palästinensischen Selbstverwaltung unternommen wurden und das Ziel hatten, die israelischen Regierungen zur Aufgabe ihrer Politik der Blockade von Friedensbemühungen zu bewegen.

BIP: Die Rolle Deutschlands

Man könnte die obenstehenden Formulierungen konkretisieren. „Jedoch kann es aus der langen Geschichte der Diskriminierung der Juden im christlichen Europa nicht die richtige Lehre sein, die Augen vor aktuellem Unrecht zu verschließen“ müsste genauer heißen: „…die Augen zu verschließen vor dem Unrecht, das vom israelischen Staat ausgeht.“

Aber deutsche Politiker brauchen nicht als Vertreter einer wertebasierten Außenpolitik gegenüber Israel zu erscheinen. Auch das heutige Deutschland kann schwer mit reiner Weste etwas von anderen einfordern, was es selbst oft nicht liefert. Es wäre schon viel getan, wenn sich deutsche Politiker zurückhalten würden mit Zusagen von Waffenlieferungen – etwa U-Booten oder Artilleriegranaten – , mit Worten des Verständnisses und der Bestärkung und mit unbedachten und reflexhaften Äußerungen einer „unbedingten Solidarität“ gegenüber Israel, ganz gleich, wie sich Israel verhält, wenn es sich in den von ihm besetzten Gebieten nicht an internationale Regeln und humanitäres Völkerrecht hält und seine Armee sogar Kriegsverbrechen begeht.


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