Was hat sich verändert in Deutschland?

Seit vier Jahren reiste ich im Juli und August 2023 das erste Mal wieder nach Europa. Sechs Wochen verbrachte ich in Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Kroatien. Wäre die Corona-Krise mit all ihren Ungereimtheiten nicht gewesen, hätte ich sicher schon früher wieder einmal eine Reise nach Europa unternommen. Die meiste Zeit dieser sechs Wochen war ich in Deutschland. Nun bin ich wieder zurück in Südkorea.

Meine deutschen Bekannten und Freunde fragten mich oft, was sich denn in den vergangenen vier Jahren in Deutschland verändert habe. Ich würde die Veränderungen in vier Bereiche einordnen.

Infrastruktur

Neue Gebäude entstanden an vielen Orten, alte verschwanden oder wurden nicht restauriert. In Bonn etwa bedeckt nun moderne Architektur das ehemalige „Bonner Loch“. Sie verträgt sich meines Erachtens aber nicht gut mit den alten Fassaden in der Nähe des Bahnhofes. Die Infrastruktur in Deutschland macht auf mich, verglichen mit der, wie ich sie noch vor 10 Jahren vorfand, keinen tragfähigen Eindruck.

Am deutlichsten macht sich dies beim Verkehr bemerkbar. Früher fuhren in Deutschland die Züge pünktlich. Seit der Teilprivatisierung der Bahn scheint der Wurm im System zu sein. Während sich seit dieser Zeit zunächst in erster Linie die ICs oder ICEs verspäteten, scheinen die Verspätungen nun auf den Regionalverkehr voll durchgeschlagen zu sein. Von Koblenz nach Trier fielen im Juli die Regionalzüge teilweise ganz aus. Die Bahn richtete allerdings Ersatzbusse ein. Aber informierte sie die Fahrgäste darüber? Wir warteten mit einigen anderen Fahrgästen auf dem Bahnhof in Koblenz auf den nächsten Zug nach Trier. Auf der Anzeigetafel war ersichtlich, dass ein Zug nach dem anderen ausfiel. Doch keine Ansage teilte den Fahrgästen mit, den Schienenersatzverkehr wahrzunehmen, also mit den Bussen zu fahren.

Am 5. August wartete ich um 24 Uhr auf dem Hennefer Bahnhof etwa 90 Minuten auf einen Anschlusszug (S-Bahn oder Regionalexpress in Richtung Siegen): so lange wie noch nie. Im Zug diskutierte ich mit einem Mitschüler von früher über die Gründe. Er meinte, dass die Bahn nur wenig in Gleise und Anlagen investiere, dass durch die günstigen flächendeckenden 49 Euro-Tickets auch einiges an Zuflüssen versiegt sei.

Ich habe dagegen den Verdacht, dass nicht nur technische Gründe für die Verspätungen verantwortlich sind, sondern auch soziale. Ein anderer guter Bekannter, der bei der Bahn als Ingenieur tätig ist, berichtete davon, wie einfach es für Beschäftigte bei der Bahn in höheren Positionen sei, falls ein Zug Verspätung habe, einen Anschluss-Zug warten zu lassen: Herr / Frau XY hat einen wichtigen Termin. Im Anschlusszug kommt dann die Durchsage: Wir bitten die Fahrgäste um Verständnis für die Verspätung…

Eine weiterer Punkt, der zur Rubrik „Infrastruktur“ gehört, ist der Wandel in der Unternehmenswelt, das Wachsen, Fusionieren, Schrumpfen oder Sterben von Unternehmen und Geschäften. In einigen Innenstädten, etwa in Trier, stehen ganze Einkaufspassagen leer. Die Postbank hat mittlerweile viele Filialen geschlossen. Auch ist mir aufgefallen, dass aus einigen Innenstädten „Saturn“ verschwunden ist. Weder in Trier noch in Bonn ist es noch im Kaufhof untergebracht.

Früher pilgerten wir gerne nach Köln zum Hansa-Hochhaus, um uns dort „im Saturn“ Schallplatten auszusuchen. Vor 2019 schätzte ich dort die große CD-Abteilung, die mehr Auswahl bot als Amazon. Im Sommer 2023 war allerdings von dieser großen CD-Abteilung nichts mehr zu sehen. Man hat diese aus dem alten Gebäude, in dem sich nun eine Spiele-Abteilung befindet, vollständig ausgelagert. Vergeblich suchte ich in der neuen, abgespeckten CD-Abteilung nach Zusammenstellungen der Sinfonien von Kurt Atterberg, von Johann Christian Bach und Anton Bruckner. Ebenso fand ich keine Digitalkamera, die meinen Vorstellungen entsprach. Ich hatte den Eindruck, dass nur noch ein Dutzend Kameras als Restbestand erhältlich war. Die Hifi-Abteilung war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Früher gab es so etwas wie Beratung bei Saturn, nun hatte ich den Eindruck, dass dafür nur noch wenig Zeit übrig war. Einige der Mitarbeiter verstanden aufgrund ihrer mangelnden Deutschkenntnisse einfache Fragen nicht. Beim Mediamarkt war die Lage nicht besser. Haben diese Geschäfte aufgrund der enormen Zuwächse des Online-Handels durch die Corona-Krise für ein solches Angebot keine Mittel mehr? Vielleicht sind heute Digitalkameras, Hifi-Anlagen und CDs nicht mehr en vogue? Oder es fehlt zunehmend die Kaufkraft für solche Artikel?

Aufnahme: Sandako

Inflation

Im Zuge der Corona-Krise überflutete die Inflation fast alle Länder dieser Erde, natürlich auch Deutschland. Mir ist nicht klar, ob es dafür wirtschaftliche Ursachen gibt. Natürlich kam es durch die Krise zu Versorgungs- und Lieferengpässen. Doch diese dürften mittlerweile überwunden sein. Eine kräftige Erhöhung der Leitzinsen durch die Zentralbanken scheint auch nichts an dem hohen Preisniveau geändert zu haben. Selbst das Einkaufen im Aldi war in diesem Sommer eine teure Angelegenheit. Ich vermute, dass es sich hier um einen Trittbrettfahrer-Effekt handelt. In der Krise erhöhten einige Unternehmen die Preise und andere zogen nach, obwohl für die Preiserhöhung keine wirtschaftliche Notwendigkeit bestand.

Multikulturelle Gesellschaft

Der Gedanke ist verlockend: Angehörige verschiedener Völker und Nationen leben friedlich und kooperativ in einem Gemeinwesen zusammen. Das ließe sich vielleicht als multikulturelle Gesellschaft bezeichnen. Das bloße Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen ethnischen Hintergründen ist es allerdings nicht. Manchmal schien ich, auch mit einem gewissen Stolz, den Eindruck zu haben, eine multikulturelle Gesellschaft gelinge nun halbwegs in Deutschland. Dann wiederum fühlte ich öfter meinen alten Verdacht bestätigt. Die Integration misslingt in vielen Fällen.

Auf den Straßen von Großstädten hörte ich kaum noch Deutsch. Dagegen Arabisch, Englisch, Russisch, Spanisch, Türkisch, Ukrainisch … Öfter hörte ich in diesen Wochen, auch gerade von Menschen mit Migrationshintergrund, die sich für meine Begriffe vorbildlich integriert hatten, dass viele „Flüchtlinge“ jede Arbeit verweigern und Transferzahlungen ins Ausland überweisen. Vor einigen Jahren erlebte ich wie ein arabischer Mann sich in einem Zug an eine zurückhaltende Japanerin heranmachte. Dieses Jahr schienen einige der Zugewanderten in den Zügen Partys zu feiern. Ich wohnte in einem ruhigen Ort. Doch meine Nachbarn aus Algerien erhielten Besuch von der Polizei. Für die Fehlentwicklungen mache ich nicht die Ausländer verantwortlich, sondern die Politiker, die offene Grenzen mit gelungener Integration verwechseln.

Abbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit

Dies ist ein Punkt der mir am unangenehmsten auffiel. Deutschland dürfte immer noch im internationalen Vergleich bestehen können. Doch eine Politikerkaste, die fernab der Realität der einfachen Bürger lebt, hat sich mittlerweile im Staat breit gemacht und steuert die Republik mehr mit ideologischen Vorstellungen als mit praktisch umsetzbaren und konsistenten politischen Maximen. Da fällt es auch nicht sonderlich ins Gewicht, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bundestagswahl auftreten.

Es scheint nur noch eine soziopolitische richtige Hauptströmung zu geben. Wer an ihr Kritik übt, macht sich verdächtig. Die AfD gilt in diesem Diskurs als nationalistisch, antisemitisch und demokratiefeindlich. Da liegt es auf der Hand, die Jugendorganisation dieser Partei vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Wer jedoch eine genaue Begründung für solche Titulierungen einfordert, dessen Gesprächspartner weiß meistens nicht weiter. Als Bürger muss man in Deutschland aufpassen, wie man bestimmte Begriffe benutzt: AfD, Flüchtlinge, Gendern, Klimawandel, mRNA-Impfungen, Transgender, Ukraine-Krieg, Wärmepumpen.

Im öffentlichen Diskurs sollte man die etablierte Meinung vertreten. Andererseits darf unter Bekannten und Freunden jemand vielleicht von der offiziellen Meinung abweichen, doch auch hier ist Vorsicht angezeigt. Wie in der alten DDR lauscht der Nachbar mit.

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