Aus verschiedenen Gründen kann man in Korea in ein Wespennest treten. Die Beziehung Koreas zu seinem nordöstlichen Nachbarn, Japan, ist eines der Themen, bei denen Vorsicht in Gegenwart von Koreanern angebracht ist. Hier flammen schnell patriotische Gefühle auf, kritische Bündnistreue bis Distanz – bei den eher konservativen Kräften, unverhohlene Abneigung unter den Linksliberalen und offene Feindschaft des Regimes im Norden. Eines der Stützpfeiler und Legitimationsquellen Nordkoreas ist seine scheinbar eigenständige und erfolgreiche Vertreibung der Japaner im Jahre 1945 und eine Feindschaft gegen Japan, die es aufgrund einer Mischung von Vergeltung und Wachsamkeit immer aufrecht zu erhalten gilt.
Am 22. August 1910 musste sich Korea, wieder einmal in den vorhergehenden Jahren unter die Räder der Großmächte gekommen und dann schließlich von japanischen Streitkräften besetzt, durch einen japanisch-koreanischen Annexions-Vertrag der japanischen Oberherrschaft beugen. Das Ereignis ist in Korea auch bekannt als „Gyeongsul Gukchi“, als Demütigung der Nation im Jahre 1910. Es folgten 35 Jahre japanischer Herrschaft und Ausbeutung bis 1945, die allerdings auch mit einer Verbesserung der Infrastruktur des Landes einherging: Das Bewässerungssystem wurde modernisiert, das Bildungs-, Rechts- und Verwaltungssystem reformiert.
Die Japaner versuchten systematisch die Koreaner ihrer Kultur zu berauben. „In den Schulen wurde ausschließlich in Japanisch unterrichtet, die Bevölkerung wurde gezwungen, ihren Namen ins Japanische zu ändern, bei jeder öffentlichen Zeremonie wurde ein Treueid auf den japanischen Kaiser geleistet und die Bürger wurden zum Besuch von Shinto-Schreinen angehalten“, schreiben Hanns und Ivo M. Maull in ihrer Einführung in die Geschichte, Politik, Wirtschaft und Kultur Koreas. Ironie der Geschichte: Heute geben sich viele Koreaner freiwillig! selbst westliche Namen, weil sie glauben, mit westlichen oder englischen Namen erfolgreicher zu sein.
Doch zurück zur japanischen Besetzung. Nicht nur im Land selbst herrschten die Japaner mit drakonischen Mitteln. Zehntausende Koreaner mussten in der japanischen Armee dienen, nicht nur Männer, sondern auch Frauen, die als „Comfort Women“ den japanischen Soldaten „dienten“. Zudem griff Japan auf hunderttausende billige Arbeitskräfte – man könnte auch sagen Arbeitssklaven – aus Korea zurück. Ein großer Teil von ihnen verlor ihr Leben im Zweiten Weltkrieg.
Entschuldigungen aber keine individuellen staatlichen Reparationen
Die Koreaner sahen allerdings nicht untätig zu, wie Japan ihr Land zusehends okkupierte und japanisierte, wie zahlreiche Aufstände zeigen. Der bekannteste dieser Aufstände ist der vom 1. März 1919. Anläßlich von Beerdigungsfeierlichkeiten für den verstorbenen Kaiser Kojong kam es an diesem Tag zu einem gewaltfreien Aufstand gegen die japanische Besatzungsmacht. Der Wunsch nach Unabhängigkeit verbreitete sich wie ein Lauffeuer in Korea und die Japaner, überrascht von der Wucht der koreanischen Bewegung, schlugen diesen Aufstand blutig nieder. Die Enzyklopädia Britannica spricht von 43000 verhafteten, 10000 verurteilten und 7000 getöteten Koreanern im Gefolge dieser Erhebung.
Die Japaner hegen Sympathie für ihre Soldaten. Viele gelten als Kriegshelden, wenige als Kriegsverbrecher. Die japanische Regierung hat sich einige Male entschuldigt für Verbrechen, die sich in ihrem Namen während des Zweiten Weltkriegs ereigneten. Diese Entschuldigungen gehen den Koreanern jedoch nicht weit genug. Eine symbolische Geste, wie der Kniefall Willy Brandts in Warschau, ist jedenfalls bis heute nicht erfolgt. Nach Gebhard Hielscher hat „Japan nach der Wiedererlangung seiner Souveränität auf jegliche Strafverfolgung japanischer Staatsbürger wegen Kriegsverbrechen verzichtet“ (Cicero, Magazin für politische Kultur, August 2010, S. 36). Tokio sei auch bisher nicht bereit gewesen, „Opfern japanischer Kriegsverbrechen oder ehemaligen Zwangsarbeitern irgendwelche individuellen Entschädigungsansprüche gegen den japanischen Staat zu gewähren“.
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