Heute vor 60 Jahren, so lautet die offizielle Version, begann der Koreakrieg mit dem „Überfall“ nordkoreanischer Truppen, ihrer Invasion in den Süden, dem Überqueren des 38. Breitengrades. Die Amerikaner und die UNO-Truppen hätten die Demokratie und die Freiheit des Südens verteidigt.
In offiziellen Reden kommt allerdings nicht zur Sprache, dass der CIA und das südkoreanische Verteidigungsministerium schon lange vor dem 25.6.1950 konkrete Hinweise für einen Angriff aus Nordkorea gehabt hatten. Die Invasion kam nicht wie ein „Blitz“ aus heiterem Himmel, sondern sie war das Ergebnis einer vorhergehenden Eskalation und vieler Grenzstreitigkeiten. Eine solche Grenzstreitigkeit, zweifellos mit einem massiven nordkoreanischen Angriff verbunden, fand also vor sechzig Jahren statt. Was machte die Regierung Truman am 25. Juni, also zu einem Zeitpunkt, an dem noch nicht von einem umfassenden Krieg gesprochen werden konnte, an einem Tag, an dem auch kein offizieller Hilferuf des südkoreanischen Präsidenten vorlag? Sie beantragte den Konflikt vor den Weltsicherheitsrat zu bringen und Nordkorea zum Angreifer zu erklären. Wer heute öffentlich in Südkorea behauptet, der Norden habe den Süden angegriffen, weil er das Land vereinen wollte, riskiert Sanktionen, die bis zu Gefängnisstrafen reichen können.
Nach der Kapitulation Japans am 2.9.1945 besetzte die USA Südkorea. Von einer reinen „Militärverwaltung“ zu sprechen wäre eine Beschönigung. Aber was hatten die Amerikaner eigentlich in Südkorea zu suchen? Wäre das Ende des Zweiten Weltkrieges – und damit das Ende der japanischen Besatzung Koreas – nicht eine günstige Gelegenheit gewesen, das Land den Koreanern zurückzugeben? Die Amerikaner besetzten also das Land aus strategischen Gründen: ein weiteres Vordrängen des Nordens drohte.
Statue im Kriegs-Gedenkmuseum in Seoul, Samgakji
Die koreanischen Bauern kamen vom Regen der japanischen Besatzung in die Traufe der amerikanischen Militärregierung. Die amerikanischen Besatzer hielten das Eintreiben von Pachtzinsen der japanischen Kolonialherren bei, sie setzten den vorher freigegebenen Reispreis, als sie sahen, dass ihre marktwirtschaftlichen Experimente fehlschlugen, auf ein Zehntel des Marktpreises und zwangen die Bauern unter Folter zum Reisverkauf, weil sie so hofften, eine Inflation und eine Hungersnot abwenden zu können. Selbst in den bittersten Zeiten der japanischen Kolonialverwaltung gab es keinen so großen Reismangel.
Verteidigung der Freiheit
Ja, Wahlen gab es auch im Süden des Landes, aber es waren keine demokratischen Wahlen. Wir kennen das gut aus der heutigen Politik: Erdreistet sich irgendwo auf der Welt ein Volk eine Regierung zu wählen, die nicht mit den herrschenden Staaten des Westens zu deren Bedingungen kooperieren will, erklärt der Westen diese prompt als undemokratisch oder gar als terroristisch, so dass es den Anschein hat, diese Regierung sei eigentlich gar nicht von den Bürgern des jeweiligen Landes gewählt worden. Der Wahl einer solchen Regierung, die nicht „demokratisch“, „marktwirtschaftlich“ oder „freiheitlich“ (was im Grunde genommen Decknamen für westliche geostrategische und kooperative Wirtschaftsinteressen sind) orientiert ist, will man dann rechtzeitig einen Riegel vorschieben.
So wollten auch am 4. Oktober 1946 die Süd-Koreaner ihre Regierung wählen. Pech war allerdings, dass die amerikanische Militärverwaltung unter Vorsitz des Generals John R. Hodge, vorher unliebsame Politiker verhaften ließ – vor allem solche, die mit dem Norden und der Idee einer unabhängigen Regierung für ganz Korea sympathisierten – , Unterlagen beschlagnahmte, das Erscheinen linksgerichteter Zeitungen verbot, Parteigebäude schließen ließ und damit die Politik der japanischen Kolonialregierung fortsetzte. Von der Etablierung einer Regierung, bestehend aus ehemaligen koreanischen Exilpolitikern, die die verschiedenen Fraktionen des Landes repräsentiert hätten, wollte er nichts wissen.
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