Heute gedenken zahlreiche Menschen des Tages, der – nach Ansicht vieler Zeitgenossen – vor acht Jahren die Architektonik des Machtgefüges der Welt erschütterte. In der Korea Times gibt es heute auf der ersten Seite eine schlichte Erinnerung: einige Sätze unter einem Foto, das die Gedenkstunde im amerikanischen Kongress abbildet, sonst nichts.
Die zwei Artikel, die sich am 11.9.2009 in der New York Times ausführlicher mit den Ereignissen am 11.9.2001 befassen („Eight years later„, „Remembering a Future That Many Feared„), lassen eine eigenartige Gedenkroutine einkehren; mit einem gewissen Abstand, fast schon wie in Romanprosa, erwacht der Schrecken wieder, doch die literarische Form lässt ihn abrutschen ins nicht mehr Wirkliche, Vergangene, Abgelegte. Keine Fragen nach dem Hergang der Ereignisse, kein Suchen nach Erklärungen, kein Wunsch immer noch Ungereimtes zu benennen, zu verstehen oder auszudeuten.
Was soll man denn da auch verstehen? „Es ist mittlerweile erwiesen, dass die Hijacker die Gebäude zum Einsturz brachten“, meinte während meines Aufenthaltes in Deutschland zu mir ein Soziologie-Professor, den ich sehr schätze. „Die sogenannten Verschwörungs-Theorien sind eindeutig in der Minderheit, sie genießen in der wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion keine Glaubwürdigkeit“. Andererseits seien die Folgen der Ereignisse äußerst bedenklich: die angezettelten Kriege, die Stereotypisierung des Islams und die Übergeneralisierung der kriminellen Eigenschaften der muslimischen Täter auf die Gemeinschaft der Muslime. Auch er glaube nicht an die „offizielle Theorie“.
Schauen auf die Folgen, ja, aber welche empirischen Hintergründe?
Wenn ich es richtig sehe, unterscheiden sich diese Überlegungen von den Auffassungen der „Rück-Schlags-Theorien“. Die „Blowback-Theorien“ gehen davon aus, dass terroristische Attacken im Inland eines Landes A, von Ausländern durchgeführt, Ursachen haben. Diese Ursachen liegen in Ungerechtigkeiten im Ausland, an denen maßgeblich das Land A beteiligt war. Das ist eine Erklärung mit der besonders Leute, die sich zu den kritischen Liberalen oder Linksintellektuellen zählen, gut leben können.
Doch die oben ausgeführten Überlegungen des Soziologen haben einen anderen Akzent. Am Anfang stehen Ereignisse. Die beteiligten Konfliktparteien laden sie mit für sie nützlichen Bedeutungen und Interpretationen auf. Die Interpretation dieser Ereignisse kann dann als Legitimationsgrundlage für spätere Aktionen herhalten. Der Konflikt eskaliert und erzeugt Einstellungs- und Erwartungsmuster, die zu weiteren typischen Reaktionen und Stereotypen führen. Soweit ich von der Erklärungskraft dieses Ansatzes für viele gesellschaftliche Konflikte auch überzeugt bin, so glaube ich doch, dass er in diesem Fall – also zur Erklärung von 9/11 – einfach zu kurz greift und die Sache nicht trifft.
Plausibler als ein zunächst spontan ablaufendes, von außen eingeleitetes Konfliktgeschehen, das verschiedene Parteien später für ihre Zwecke instrumentalisieren, erscheint mir, dass die Aktion lange im Voraus aus dem Inland geplant war, dass bestimmte Kreise in der Bush-Regierung die Ereignisse vom 11.9.2001 bewusst inszenierten. Es erschreckt, dass diese Menschen immer noch frei herumlaufen – und auch diejenigen, die für die ungleich größeren Verbrechen, die danach folgten, verantwortlich sind. Sie legitimierten und begannen die mörderischen Kriege in Afghanistan und im Irak durch den 9-11 Mythos.
Die Ereignisse und deren Interpretation gehören nicht zum Fraglosen, zum historischen Faktenwissen, das sich gewöhnlich nun einmal absetzt nach einigen Jahren, mit gewissen Abstand zu den Ereignissen. Auch wenn die eingesessene politische Kaste und die etablierten Medien uns das glauben machen wollen. Immer noch gibt es Fragen, die die öffentliche Version des Tatherganges nicht beantwortet. Auf die Frage, wieso denn das WTC-7 Gebäude ohne Einwirkung eines Flugzeuges zusammen gestürzt sei, erhielt ich keine Antwort in dem oben erwähntem Gespräch. Auch die Bemerkung, dass die Geschichte von den 19 unbedarften Hijackern, die professionell, präzise und zielgenau hochkomplexe Maschinen im Sturzflug in Wolkenkratzer steuern, doch wohl eher den Namen Verschwörungstheorie verdient, blieb unbeantwortet.
„Die Chance eines Lecks wäre ziemlich groß gewesen; wäre das ‚raus gekommen, hätten diese Leute vor einem Erschießungskommando gestanden. Das hätte das Ende der republikanischen Partei bedeutet, für immer“, meint der Blow-Back Theoretiker Noam Chomsky (hier: 2.46 Min.). Die (gespielte?) Naivität Chomskys überrascht. Unterschätzt er, der einen erheblichen Teil seines intellektuellen Lebens mit der Erforschung der Strategien von staatlicher Gewalt und Macht verbrachte, wirklich die Möglichkeiten von Regierungen, groß angelegte Projekte geheim zu halten?
Am Ende des zweiten Weltkrieges gelang es den Deutschen, trotz der bereits schon eingetretenen Invasion der Allierten immer noch weiter in einer riesigen unterirdischen Anlage im Dora Mittelbau V2 Raketen zu bauen. Die Montage, zu der einige tausend Wissenschaftler beitrugen, konnte geheim gehalten werden; sie erfolgte in großen Teilen durch Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge, von denen viele an Entkräftung starben. Insgesamt konnten die Deutschen etwa 5000 bis 6000 Raketen bauen. Die Amerikaner waren verdutzt als ihnen hunderte von Raketen in die Hände fielen.
Die größte Geheimhaltungsaktion in der Geschichte
Schließlich war die Planung, Konstruktion und der Bau der ersten Atombomben vielleicht die geschichtlich größte Geheimhaltungsaktion, die von staatlichen Stellen ausging. Im Manhattan-Projekt arbeiteten über einen Zeitraum von mehreren Jahren ab 1939 zeitweise mehr als 100 000 Personen gleichzeitig. Das Projekt wurde äußerst geheim gehalten. Selbst Henry Truman, der damalige Vize-Präsident von Franklin Roosevelt, wusste nichts davon. Erst im April 1945 erfuhr er von dem Vorhaben, eine „fürchterliche Bombe“ zu bauen. Die meisten Mitarbeiter des Projektes erstaunte die Nachricht der Atombombenexplosion vom 6. August über Hiroshima. Sie waren nur kleine Rädchen in einem großen Verwaltungs-, Planungs- und Produktionsgetriebe und wussten nicht, welche Relevanz ihre Arbeit hatte. Selbst einige der maßgeblichen Physiker des 20. Jahrhunderts, wie Werner Heisenberg, der für die Deutschen im „Uran-Projekt“ an Möglichkeiten der zivilen und militärischen Nutzung der Atomenergie arbeitete, hielten die Nachrichten von Hiroshima zunächst für Propaganda. „Na ja, es wird ja viel gelogen“ (Dazu Armin Hermann: Werner Heisenberg, Reinbeck 1976, S. 85). „Aber dann wurde auf einmal gesagt, die Bombe wurde hergestellt mit ungeheuer viel Menschen. Dann dachten wir [die internierten Physiker], dann kann es natürlich doch sein“ (ebd.).
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