Das ist das beschwerliche tägliche Leben der Fußgänger in Korea: Sie leben wie Gefangene, die von einem Ort zum anderen getrieben werden, wie Hühner, die in alle Richtungen zerstieben, weil ein übergeordneter Reiz in Form eines Kraftfahrzeuges auf sie einwirkt. (Darüber auch hier mehr.) Gemütliches Spazieren, flanieren in der Innenstadt Seouls? Von wegen, hier schiebt die Masse der Menschen: “Du glaubst du schiebst, doch du wirst geschoben” – und hier schieben die Motorräder und Autos, gerade auch auf Fußgängerwegen und in den Fußgängerzonen, und das gar nicht so selten – kann man dann eigentlich noch von Fußgängerzone sprechen?
Fortbewegung auf dem Nam Berg in Seoul
In Insadong, einem alten und bekannten Kunsthandwerkerviertel, genießen Fußgänger nur am Wochenende die Straße für sich, werktags, und auch zu bestimmten Zeiten am Samstag, drängeln sich dort mit den Fußgängern viele Personenkraftwagen, Lastfahrzeuge und Motorräder über die bekannte Straße, an deren Seiten Handwerker ihre Vasen, Bilder, Schnitzereien, Kleidungsstücke, Figuren, Stickereien und Bestecke feilbieten.
Wieso kann die Stadtverwaltung dem Verkehr nicht einfach einen Riegel vorschieben, ich meine, dieses Gebiet schlicht für den Durchgangsverkehr für alle Tage sperren? (Dann könnten immer noch Liefer- und andere Geschäftswagen anfahren.) Die vermutete Antwort: Der Nutzen verhältnismäßig weniger, die diese von der Fahrt mit dem Auto haben (minimaler Fortbewegungsnutzen in einer vollen Fußgängerzone, hoher Statusertrag – es sehen viele, welch tollen Schlitten ich habe) rangiert in Korea über dem Nutzen, den die vielen Besucher von Insadong ohne den motorosierten Durchgangsverkehr hätten (verhältnismäßig saubere Luft, keinen Lärm, keine Gehbehinderung, die Möglichkeit ungestörten Bummelns und Einkaufens).
“Buddhistisches Fachgeschäft” in Insadong
Ja, wie machen sich eigentlich die Autos und Motorräder bemerkbar? Sie fahren auf Fußgängerwegen und in Fußgängerzonen, nicht schnell, aber auch nicht im Schneckentempo, sie erwarten von den Fußgängern, dass sie das irgendwie (akustisch) schon mitbekommen – und wehe, man weicht nicht schnell genug, das kann durchaus zu einem empörten Hupen führen.
Kraftfahrzeuge fahren auch, wenn die Fußgängerampel auf Grün schaltet, gleichsam als Begleitschutz, auf oder entlang des Zebrastreifens. Kürzlich sah ich einen Lieferwagen, der mit seinen beiden rechten Rädern über den Zebrastreifen bis ans Ende der anderen Straßenseite fuhr. Dann gibt es auch Fußgänger (meistens sind es Papiersammler), die sich in der falschen Domäne fortbewegen: Sie trotten einen Wagen ziehend auf einer befahrenen Autostraße entlang.
Wackeliges Transportvehikel und Fracht nebst (verdecktem) Fußgänger auf einer vielbefahrenen Straße in der Nähe des Seoul-Bahnhofes
Auch in Gebieten, wo man eigentlich an Ruhe denkt, an romantische Spaziergänge, an Schwimmen und Dösen, an Sonnenauf- oder Sonnenuntergänge, bleibt man in Korea leider nicht vom Lärm und Gestank der Benzinmotoren verschont.
Des einen Spaß des anderen Leid
Geduldig sind die Autofahrer nicht. In der Innenstadt kommt der Verkehr oft ins Stocken. Das bedeutet auch, dass Autofahrer, selbst wenn ihnen grüngeschaltete Ampeln den Weg frei geben, oft nur im Schritttempo weiterkommen. Wartet der Fußgänger also in einer solchen Situtation vor einer Fußgängerampel darauf, dass diese auf Grün schaltet, stehen mit Sicherheit verschiedene Autos schon auf dem Zebrastreifen, anstatt vor diesem zu warten.
Es ist im Grunde genommen auch gefährlich, als “vereinzelter” Fußgänger bei Grün den Zebrastreifen zu überqueren, eilige Taxis und andere unter Druck stehende motorisierte Zeitgenossen fahren nämlich auch, wenn “nur” wenige Fußgänger warten.
Ist kein Parkplatz frei, parken bestimmte Autofahrer offenbar auch gerne auf dem Zebrastreifen.
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