Kriegsgefahr auf der koreanischen Halbinsel?

Die innerkoreanischen Spannungen wachsen. Die Nordkoreaner wollen bald erneut eine Langstrecken-Rakete zünden. Die Zeitung Joong Ang Daily geht davon aus, dass die Rakete eine Reichweite zwischen 4000 und 6500 Kilometern hat und damit Alaska erreichen kann. Mit einem erneuten Raketentest würde Nord-Korea wieder gegen UN-Resolution 1718 verstoßen. Klar ist, dass Nordkorea einen Krieg gegen den Süden oder gegen seine Anreinerstaaten nicht gewinnen könnte. Da das nordkoreanische Regime weiter bestehen will, ist davon auszugehen, dass es einen Krieg auf der koreanischen Halbinsel vermeiden möchte. Dennoch kann es zu militärischen Auseinandersetzungen und Scharmützeln kommen, etwa, wie schon geschehen, wenn nordkoreanische Kriegsschiffe südkoreanische Schiffe rammen oder südkoreanische Kriegsschiffe nordkoreanische Schiffe zerstören.

Dennoch sind die Südkoreaner verhältnismäßig ruhig. Das kann zwei Gründe haben. Entweder verdrängen sie die Gefahr militärischer Auseinandersetzungen oder diese Gefahr ist bedeutend kleiner als in den westlichen Medien dargestellt.

Was könnte der Grund für ein Nicht-wahrhaben-Wollen sein? Formal gesehen befindet sich Südkorea mit Nordkorea immer noch im Krieg seit 1953, und mit der Aufkündigung der Waffenstillstandsvereinbarungen durch den Norden vor ein paar Tagen, zumindest auf der rhetorischen Ebene, rückt die Gefahr eines Krieges näher. Die Koreaner könnten kein normales Leben führen, wenn sie immer in Alarmbereitschaft wären. Verdrängung hilft dann zu leben. Wahrscheinlich basiert die koreanische Gelassenheit angesichts der Spannungen darauf, dass beide Gründe in einem Mischungsverhältnis auftreten: Einerseits ist die Krise weniger bedrohlich als uns die Medien – und ebenso politische Scharfmacher – weismachen wollen, andererseits verdrängen die Koreaner. Man kann es auch so sehen: Die Regierung möchte einen harten Kurs gegen den Norden fahren – aber nicht die breite Bevölkerung. Sie möchte in Frieden leben.

Ruhe als Überlebensstrategie

Tatsächlich entsteht regelmäßig eine Schieflage in den westlichen – oder in den vom Westen beeinflussten – Medien, wenn von Nord-Korea die Rede ist. An anderer Stelle in diesem Blog hatte ich bereits über das ungleiche militärische Kräfteverhältnis zwischen der Allianz Südkorea & USFK versus Nordkorea geschrieben. Die Nordkoreaner sind hoffnunglos unterlegen und es ist nur eine logische Folge, dass sie aus defensiven Gründen Atomwaffen entwickeln. Denn die Bedrohungen, die der stalinistisch organisierte Staat erfährt, sind nicht nur eingebildet, sondern real.

Die Invasion des Irak im Jahre 2003 war nicht das Ergebnis irakischer Massen-vernichtungswaffen, sondern des Fehlens solcher Waffen. Bereits im (formal immer noch nicht beendeten) Korea-Krieg erwog der amerikanische Präsident Harry S. Truman und sein General Douglas MacArthur, Kommandeur der UN-Truppen, im Jahre 1951 den Norden atomar anzugreifen. Vorgesehen dazu waren Mark IV Atombomben, deren Ausfertigungen eine Sprengkraft bis zu etwa 30 Kilotonnen hatten.

Mark IV Atombomben

Mark IV Atombombe, ein Nachfolgemodell der auf Nagasaki abgeworfenen „Fat Man“.
Sie war 1951 zum Einsatz gegen Nordkorea vorgesehen.

Förmlich in letzter Minute, als eine Eskalation des Krieges mit China nicht mehr zu befürchten war, kam Trumans atomarer Angriffsbefehl nicht mehr zum Tragen. Zwar sind – nach amerikanischen und südkoreanischen Angaben – seit Ende 1991 keine Nuklearwaffen mehr im Süden stationiert, dennoch können die Südkoreaner mit ihren amerikanischen Verbündeten jederzeit, vom amerikanischem Festland, von U-Booten oder Kampfflugzeugen, den Norden mit atomaren Lenkwaffen angeifen. Ebenso führen der Süden und sein amerikanischer Verbündeter regelmäßig großangelegte Manöver durch, bei der auch nukleare Kriegszenarien auf dem Programm stehen.

Man stelle sich einmal vor, an der US-amerikanischen Grenze im Süden, führte Mexiko mit russischen und chinesischen Truppen Großmanöver zum Land, zur See und zur Luft mit Nuklearwaffenszenarien durch. Hätten die USA dann nicht allen Grund sich provoziert und bedroht zu fühlen?

Worüber wir nichts erfahren dürfen

Rationale Gründe verbieten es also dem nordkoreanischen Regime, einen Krieg gegen den Süden zu führen.
Daher, so hören wir, bestehe nicht so sehr die Gefahr eines Krieges, sondern die der Weitergabe nordkoreanischer Waffen. Größeren Anlass zur Sorge geben aber die weltweit größten Waffenexporteure. Deren Waffenarsenale sind riesig und zum Teil schlecht gesichert, während ihre verantwortungslosen Waffenexporte in Konfliktregionen die dortigen Konlfikte noch verschärfen.

Zudem zeigt ein weiterer Umstand die nordkoreanische Unterlegenheit auf konventionellem Gebiet: Die offizielle Presse verschweigt, dass im Süden des Landes circa drei Millionen DU-Waffen stationiert sind (Dies sind Waffen, mit einer besonderen Sprengkraft, da einige ihre Komponenten aus abgereichertem Uran bestehen). Aktivisten, die Genauers über die Zahl, Beschaffenheit und Stationierungsorte dieser Waffen in Erfahrung bringen und veröffentlichen (auch nur, wenn sie ihre Informationen aufgrund einer Archiv- oder Internet-Recherche erhalten, oder weil sie etwas zusammenstellen, was in Fachkreisen längst bekannt ist), landen in Süd-Korea im Gefängnis. Ebenso: Wer in Südkorea versucht, öffentlich den nordkoreanischen Standpunkt zu erklären, hat gute Chancen hinter Gitter zu kommen – dank des weit auslegbaren Nationalen Sicherheitsgesetzes.

Menschen aus westlichen Ländern, deren Verfassung nach dem Modell der republikanischen Demokratie gebildet sind, mögen den Kopf schütteln, wenn sie erfahren, dass man in Süd-Korea eine Freiheitsstrafe riskiert, wenn man bestimmte Dinge über den Norden öffentlich zum Ausdruck bringt. Aber Moment mal, in welcher Demokratie darf man sich eigentlich zu allen politischen Themen frei äußeren? Ich spreche hier nicht von Verleumdung und übler Nachrede, dies sind mit gutem Recht Straftatbestände. Ich meine das Hinterfragen und Thematisieren historischer Vorgänge und Ereignisse.

Tatsächlich gibt es in westlichen Demokratien verglichen mit asiatischen Militär- und Wirtschaftsdikdaturen ein hohes Maß an Meinungsfreiheit, das die Bürger, die dort leben, oft nicht zu schätzen wissen. Dennoch dürfen auch in Gesellschaften, die sich Demokratien nennen, Menschen nicht über alles öffentlich sprechen. In Deutschland, Österreich und Frankreich landen jedenfalls auch heute diejenigen im Gefängnis, die sich öffentlich in politisch nicht korrekter Weise über das Dritte Reich äußern. Der demokratische Verfassungsstaat wendet Methoden der Diktatur an, mit dem Ziel, seine demokratische Verfassung aufrecht zu erhalten.

Kommentare

5 Antworten zu „Kriegsgefahr auf der koreanischen Halbinsel?“

  1. Avatar von warum07

    … Deutschland hat keine demokratische Verfassung
    wir haben ein Grundgesetz (auch wenn es recht gut ist, soweit ichs beurteilen kann :>> aber es ist keine demokratische Veranstaltung :>>)

    liebe Grüsse
    ich weiß auch nicht, was und ob da was losgeht
    hoffe mal nicht !!!

    Karen

    1. Avatar von Perspektivator

      Die Verfassung Deutschlands auf dem Papier, also nach dem Grundgesetz, entspricht der einer republikanischen Demokratie mit Gewaltenteilung. Doch wie sieht die Realität aus? Wenn ich die „wirkliche Verfassung“ Deutschlands mit der vieler anderer Staaten, die sich „Demokratie“, „Volksdemokratie“ oder „Volksrepublik“ nennen, vergleiche, sehe ich in Deutschland trotz aller Schwächen und bedenklichen Entwicklungen, durchaus ein recht hohes Maß an Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verwirklicht.

      In der Republik Korea (Südkorea) laufen einige Dinge weniger rechtsstaatlich (also nach allgemeingültigen, erzwingbaren Gesetzen, die das Ergebnis von demokratischen Verfahren sind) ab als in Deutschland. In der „Demokratischen Volksrepublik Korea“ (Nordkorea) gibt es in vielen Bereichen erhebliche Demokratiedefizite ohne jede Rechtsstaatlichkeit.

      Dennoch ähnelt vieles in Deutschland eher einer Oligarchie als einer Volksherrschaft. Gewisse Entwicklungen, wie sie sich in den USA, insbesondere seit der Regierungszeit Reagans abspielten, zeigen sich abgeschwächt auch in Deutschland (abgeschwächt, weil die Mittelschicht in Deutschland stärker ausgeprägt ist): Herrschaft der wenigen Reichen (Konzerne, Banken) durch Institutionen der Legitimation (Medien, Parteien, Bildungseinrichtungen) über die Vielen.

      1. Avatar von warum07

        ja ich sehe das im Wesentlichen auch so 🙂

        und mit der Mittelschicht in Dt sage ich „immernoch“
        was sich leider zur Zeit ziemlich ändert…
        vor allem wenn nach der Wahl die „Krise“ wirklich zuschlägt…
        aber wer weiß wie es wirklich wird, vielleicht nutzen wir Menschen ja die Chance auf neue Wege und Möglichkeiten
        und die Mittelschicht ist stabiler als ich befürchte…

        liebe Grüsse
        Karen

  2. Avatar von Videbitis

    Der Westen hat eine merkwürdig überhebliche Doppelmoral, man kann gar nicht glauben, daß das denen nicht selbst auffällt: Er strotzt vor Waffen aller Gattungen, wird aber moralisierend (Achse des Bösen), wenn andere das auch wollen. Die Atomprogramme westlicher Industrienationen erfreuen sich wachsender Beliebtheit (natürlich nur die friedliche Nutzung – wer’s glaubt), der Iran allerdings soll darauf verzichten. Nicht, daß ich mir mehr Waffen und Atomkraftwerke auch in anderen Ländern wünschte, aber die Verlogenheit, die dahinter steckt, ist nicht hinzunehmen.

    Den Holocaust zu leugnen, das ist doch an Dämlichkeit kaum zu überbieten, oder? Das dann unter Strafe zu stellen, ist wenig glücklich, das gibt Auskunft über ein Land, daß der eigenen Demokratiefestigkeit nicht viel zutraut. Es wird doch auch nicht verboten zu behaupten, es regne in Strömen, wenn gleichzeitig die Sonne scheint, weil man genau weiß, daß sich eine solche Behauptung von selbst erledigt. So sollte es mit dem Holocaust eigentlich auch sein.

    LG

    1. Avatar von Perspektivator

      Ja, westliche Staaten halten sich oft einfach nicht an eine einfache Maxime: Was du von anderen Regierungen erwartest, solltest du selber einlösen. Es erstaunt dann immer wieder zu sehen, dass westliche Regierungen und die mit ihnen verbundene Presse, die oftmals eher als Sprachrohr dieser Regierungen und weniger als kritische Instanz auftritt, diese Maxime einfach umkehren: Fordere von anderen, was du selbst nicht bereit bist einzulösen! Leider ist das für viele Menschen schon so selbstverständlich, dass sie diesen Imperativ gar nicht mehr in Frage stellen.

      Noam Chomsky hat einmal gesagt: „If you believe in freedom of speech, you believe in freedom of speech for views you don’t like. Stalin and Hitler, for example, were dictators in favor of freedom of speech for views they liked only. If you’re in favor of freedom of speech, that means you’re in favor of freedom of speech precisely for views you despise.“

      Ich wollte mit dem obigen Vergleich darauf hinweisen, dass es in der deutschen, wie in der koreanischen Gesellschaft blinde Flecken gibt, tabuisierte Bezirke, in denen eine rationale Diskussion kaum möglich ist. Dazu gehört in Süd-Korea das Thema Nordkorea (also das Land der bösen Kommunisten und Stalinisten) und in Deutschland das offiziell überlieferte Bild vom Dritten Reich. Ich kann mich noch gut erinnern als im Jahre 2000 Norman Finkelsteins Buch: „The Holocaust Industry: Reflections on the Exploitation of Jewish Suffering“ herauskam (Auf Deutsch erst später übersetzt). Ich hörte eine erste Besprechung im Radio (ich glaube es war damals SWR II). Leider ging der damalige Kommentator gar nicht auf die Argumente Finkelsteins ein, sondern qualifizierte das Buch vorschnell als gegenstandslos ab. Wer in Deutschland bestimmte Aspekte des dritten Reiches, so wie es offiziell dargestellt wird, kritisch hinterfragt, oder wer sie einfach nur anders sieht (siehe dazu den peinlichen Rausschmiss der NDR-Redakteurin Eva Herman), dem wird oft sofort der Stempel Holocaustleugner oder Rechtsextremist aufgedrückt. Gegen diese Vorwürfe ist der so Angegriffene meistens machtlos. Der israelische Staat kann mit solchen Vorwürfen auch schnell legitime Kritik an seiner Politik zum Verstummen bringen.

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