Trotz aller Aufregung über nordkoreanische Raketen- und Atomtests, die zum Teil erst das Ergebnis der Stimmungsmache westlich orientierter Medien ist, kreisen die Nachrichten in Süd-Korea gegenwärtig mehr um den ehemaligen Präsidenten. Auf vielen Zeitungen und Zeitschriften prangte in den vergangenen Tagen fast täglich sein Konterfei. Auch die Fernsehsendungen über ihn und seine Familie reißen nicht ab. Knapp zwei Wochen nach seinem Sprung in den Tod weilt er immer noch unter den Lebenden, zumindest halten die Südkoreaner mit Macht sein Andenken hoch. Die Rede ist von Roh Muhyôn (englische Schreibweise: Roh Moohyun), der zwischen dem 25. Februar 2003 und dem 25. Februar 2008 Präsident der Republik Korea war.
Insbesondere in der Woche nach seinem Tod betrauerten die Koreaner das Hinscheiden des Präsidenten an verschiedenen Orten in Korea. So vor dem Rathaus in Seoul, wo sich 500 000 Menschen am vergangenen Wochenende versammelten, am Gyongbokgung-Palast, wo die Bestattungszeremonie stattfand – dort legten zahlreiche Anhänger dem ehemaligen Kettenraucher Roh Zigarettenstangen auf den Traueraltar, ebenso im Süden Koreas, am Geburtsort Rohs oder auch an seinem Wohnort in Bongha: viele hemmungslos weinend, darunter auch die engeren Freunde und Familienangehörigen Rohs. Zehntausende trugen gelbe Pappmützen mit Rohs Konterfei, die man eigens zu diesem Anlass produzierte. Die Polizei ging allerdings nicht zimperlich mit den Trauernden um, sie zerstörte Altare und nahm wahllos trauernde Roh-Anhänger fest.
Staatsbegräbnis am 29. Mai 2009 für den ehemaligen Präsidenten
Foto: Yonhap / Korea Times
Seit Samstag, dem 23. Mai, weilt er also nicht mehr unter den Lebenden. Sein Tod hat auch andere dazu bewegt, sich das Leben zu nehmen. Über diese Personen erfährt man von Verwandten und Bekannten, allerdings wenig oder nichts in den Medien. In den letzten Wochen vor seinem Tod gab es Feuer aus verschiedenen Rohren auf den ehemaligen Rechtsanwalt und neoliberal angehauchten Entspannungspolitiker. Die konservative Partei wollte ihm, der für eine saubere Politik eintrat, Verwicklungen in einen Bestechungsskandal nachweisen. Die Medien hetzten, die Staatsanwaltschaft ermittelte. Park Yôncha, Chef der Schuhfabrik Taekwang, soll ihn mit umgerechnet 6,4 Millionen Dollar während seiner Präsidentschaft bestochen haben. Doch Roh bestritt, dass es sich dabei um Bestechungsgelder handelte. Er beteuerte, nur von einem Teil des Geldes, das später auch für die Ausbildung seines Sohnes Verwendung fand, etwas zu wissen und betrachtete die Zuwendungen eher als Geschenk eines guten Freundes. Von seinem Freund Park erhielt Rohs Familie auch Uhren im Wert von etwa hunderttausend Dollar. Die kostbaren Geschenke warf Roh aber, so sagte er, vor seinem Haus weg (Als sich diese Nachricht in den Medien verbreitete, begannen viele Koreaner nach den Uhren vor Rohs Anwesen zu stöbern.)
Der ehemalige Präsident forderte hohe Standards. Diese konnte er selbst nicht einhalten, das gab er zu. Dennoch ist der Eindruck nicht von der Hand zu weisen, dass konservative Kräfte eine Schmierkampagne gegen Roh in Gang setzten. Die Bestechungsvorwürfe gegen Roh waren ungleich geringfügiger als jene, die seine Vorgänger, die beträchtliche Summen von Firmenkonglomeraten erhielten, diskreditiert hatten schreibt der International Herald Tribune. Ohne Frage: Wer Bestechungsgelder angenommen hat, sollte dafür auch rechtlich belangt werden. Nur die Art und Weise, wie man gegen Roh vorging, deutet darauf hin, dass es seinen Verfolgern weniger um das Recht ging, sondern darum, den umtriebigen ehemaligen Präsidenten politisch zu erledigen, Kapital aus Rohs Verfehlungen zu schlagen oder schlicht ihm eine Lektion zu erteilen.
Wer anderen eine Grube gräbt …
Denn Roh setzte sich für die ihm nahestehende Demokratische Partei am Ende seiner Regierungszeit ein (als Präsident sollte er sich nach koreanischem Verständnis im Wahlkampf allerdings neutral verhalten). Nach der Wahl Lee Myôngbaks zum Präsidenten war er immer noch im Volk beliebt: Nicht wie andere Präsidenten zog er sich aus der Politik zurück, sondern er mischte sich mit seiner Meinung ins aktuelle tagespolitische Geschehen ein, das auch über eine Internetseite, die er betreute. Auf einer Internetwelle, getragen von der Online Zeitung OhmyNews, schwamm er auch vor etwa sieben Jahren ins Präsidentenamt. Rohs politisches Engagement nach seiner aktiven Zeit als Präsident missfiel dem derzeitigen Präsidenten Lee Myôngbak.
Er strengte durch seinen Justizminister, Kim Kyônghan, ein Verfahren gegen Roh an. Der setzte ein Ermittlerteam auf den ehemaligen Präsidenten an. Mehr als zehn Stunden musste Roh am 30. April schonungslosen Fragen der Ermittler Rede und Antwort stehen. Der Generalstaatsanwalt Lim Chaejin machte sich später wegen dieser rigorosen Verhörmethoden Vorwürfe, er wollte zurücktreten, nachdem er von Rohs Tod erfuhr, doch sein Chef lehnte dies ab. Am Dienstag, 2. Juni, hat die Demokratische Partei, die Oppositionspartei, aber ein Verfahren gegen die Ermittler angestrengt. Die Demokratische Partei wirft ihnen vor, elementare Rechte des Angeklagten missachtet zu haben. So hätten diese bewusst Vermutungen und erste Ergebnisse ihrer Ermittlungen an die Presse weiter geleitet, obwohl diese noch nicht von Fakten erhärtet gewesen seien.
Den derzeitigen Präsidenten, der mit ungleich zweifelhafteren Geschäften zum Präsidenten gewählt wurde, hatten einige Sonderermittler vor seinem Amtsantritt für weniger als zwei Stunden beim Abendessen in einem Restaurant unverfängliche Fragen gestellt. Sein ehemaliger Geschäftskollege, Kim Kyungjoon, den Lee abstritt zu kennen, wurde dagegen 13 Mal einem harten Verhör unterzogen. Am Donnerstag, 28. Mai 2009, verurteilte das höchste koreanische Gericht Kim zu acht Jahren Gefängnis wegen Unterschlagung, Preismanipulation und wegen des Verbreitens falscher Nachrichten über Lee Myôngbak.
Die Ermittlungen gegen den ehemaligen Präsidenten Roh haben nun allerdings eine für den derzeitigen Präsidenten unerwünschte Wendung genommen. Denn Chon Shinil, ein enger Vertrauter Lees, steht ebenso unter Verdacht, Bestechungsgelder entgegen genommen zu haben – und zwar von demselben Schuhfabrikanten, der bereits Roh finanziell auf die Sprünge half. Mittlerweile konnten Präsident Lee und sein Generalstaatsanwalt dem öffentlichen Druck nicht mehr standhalten. Lee genehmigt nun den Entlassungswunsch Lim Chaejins.
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