Samstag, 14.2.2009
Ich gehe um 7:00 Uhr frühstücken. Das Frühstück des Jinglun Hotels ist ausgezeichnet. Auch der westliche Geschmack kommt zum Zuge. Koreanische Hotels bieten morgens oft nur etwas typisch Koreanisches an, kaum Brötchen, Brotaufstrich oder gar Müsli. Um 8:05 Uhr bin ich dann relativ pünktlich am Empfang, treffe dort auf unsere heutige Reisebegleiterin, die Chinesin „Jennifer“ (viele Asiaten legen sich westliche Zweitnamen zu). Wir verstehen uns auf Anhieb gut, sie ist locker und belesen, spricht wie ein Wasserfall. J. kommt dann um etwa 8:15. Wir starten mit einem kleinen Honda-Bus und gabeln danach noch zwei Inder auf (Duna und Baddar). Jennifer meint, dass Inder zu Beginn solcher Touren meistens eine Stunde zu spät erschienen.
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Verbotene Stadt: Mittagstor
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Wir gehen nun zur verbotenen Stadt, die wir durch den Nordeingang (das Mittagstor) betreten. Von Korea bin ich schon einiges an Palastanlagen gewohnt. Doch das Terrain der verbotenen Stadt ist riesig. Gyongbokgung in Seoul wirkt wie ein Dorf dagegen. Hat man einmal ein Gebäude der Anlage durchquert oder umschritten, taucht auch schon der nächste Palast auf. Es ist wie im Märchen und wie in einem riesigen Labyrinth. Nach einer Türe, die man verbotenerweise geöffnet hat, erscheint die nächste Tür.
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Zwei Bäume oder einer?
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Die Reiseführerin erklärt, ein Herrscher, der in der verbotenen Stadt lebte, habe damals keine Bäume pflanzen lassen, weil er befürchtete, dass diese Feuer fangen könnten und dieses dann die Paläste in Mitleidenschaft ziehen könnte. Zudem sollte die Abwesenheit von Bäumen auch den Besucher beindrucken. Was sollte er sehen? Nur harmonische Formen und Farben, Steine, unendlichen Raum und Masse. Die Plätze, so hält die Führerin fest, habe man an einigen Stellen mit fünf massiven Steinschichten gepflastert. Es galt, tunnelbauende Aufwiegler fernzuhalten.
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Tor der hoechsten Harmonie
Die Führerin ist nicht gut zu sprechen auf die Kaiserinnenwitwe Xixi, eine ehemalige Konkubine des Qing Kaisers Xianfeng. Jennifer verneint, dass Frauen damals ihre Rolle als Konkubinen des Kaisers gern spielten. Am nächsten Tag erfahren wir aber
von unserem Reiseführer Herrn Song, dass viele Liebhaberinnen der Ming Kaiser es sogar als eine Ehre empfanden, mit dem Kaiser zu sterben (d.h. aufgrund seines Todes selbst getötet zu werden) und sich mit ihm begraben zu lassen. Xixi führte für den minderjährigen Sohn und Nachfolger des Kaisers, Tongzhi, anfangs die Amtsgeschäfte (1861 – 1872).
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Verbotene Stadt: Large Stone Carving
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Zwischen 1875 und 1889 vertrat sie ihren minderjährigen Neffen. Um die Jahrhundertwende übernahm sie erneut die Regierungsgeschöfte. Während der Führung verdeutlicht Jennifer, dass Xixi mit den damaligen imperialistischen Mächten gemeinsame Sache gemacht habe.
Imperialisten in China
Am nachhaltigsten haben sich die Briten in China eingeschaltet. Jahrzehntelang beuteten sie im 18. und 19. Jahrhundert das Land der Mitte aus. Eine besonders perfide Strategie der Briten bestand darin, zehntausende Opiumkisten nach China zu exportieren, bestimmte Bevölkerungsschichten von der Droge abhängig zu machen und im Gegenzug aus China Silber einzuführen. Aber auch die Franzosen, Amerikaner, Russen und Japaner beuteten die chinesischen Bodenschätze, Absatz- und Arbeitsmärkte für sich aus. Wenn nicht auf friedlichem, Wege, dann eben mit Gewalt. Leider taucht dieses Muster der kriminellen Aneignung fremden Bodens, fremden Raumes oder fremder Arbeits- und Absatzmärkte immer wieder bei hochzivilisierten Nationen auf. Auch die Deutschen setzten im 19. Jahrhundert ihre Streitmacht ein, um ein Stück vom chinesischen Kuchen zu bekommen. 1898 zwang die damalige deutsche Reichsregierung den Chinesen, vertreten durch die Regierung der Qing Dynastie und die Kaiserinnenwitwe Xixi, zum Vertrag von Kiaoutschou. „Dieses Abkommen sah vor“, so schreibt Dai Shifeng in seiner „Chinesische[n] Geschichte“,
… dass China die Bucht von Kiaoutschou samt umliegenden Gebiet von 515 Quadratkilometern (nicht die Stadt Kiaoutschou selbst) für 99 Jahre an das Deutsche Reich ‚verpachtete‘. Obendrein erhielt Deutschland in Shandong Eisenbahnkonzessionen, Bergbaukonzessionen sowie Zollvergünstigungen für deutsche Waren. Damit war ein Territorium von 150 000 Quadratkilometern, in dem mehr als 33 Millionen Menschen lebten, in eine deutsche Einflusszone umgewandelt worden.“
(Shifeng, Dai: Chinesische Geschichte. Beijing: Verlag für fremdsprachige Literatur, 2003, S. 163 f.)
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