11. September 2001: Das Geschehen am Tag

In den vergangenen Wochen strahlte BBC World mehrmals ein Interview mit Condoleezza Rice aus. Es wurde im September geführt. Jeremy Paxman stellt ungewöhnlich schonungslose Fragen. Doch Rice weicht aus, gibt keine Fehler zu und rückt auch keinen Millimeter von der Begründung der Kriege im Irak und in Afghanistan ab: Es dürfe nicht noch einmal so etwas wie am 11. September 2001 passieren. Der gegenwärtige Kampf gegen den Terror sei ein Verteidigungskrieg. Also auch der Krieg im Irak. Denn jeden Tag planten „böse Männer“ und, wenn ich es richtig gehört habe, auch „Muslime“ Anschläge gegen Amerikaner und unschuldige  Angehöriger anderer Nationen (6. Minute, 14. Sekunde ff).

Gesicherte historische Erkenntnisse zum 11. September 2001?

Doch was ist eigentlich am 11. September 2001 in den USA passiert? Rice und ihre Kollegen beschwören immer wieder diesen Tag. Scheinbar gehören die Ereignisse jenes denkwürdigen Tages mittlerweile zum gesicherten historischen Allgemeingut: Eine Gruppe muslimischer, hasserfüllter Terroristen führte, aus den afghanischen Bergen und Höhlen gesteuert, kaltblütig die Attacken durch. Nachrichtensendungen fragen nicht mehr danach, ob es wirklich so war und was tatsächlich passierte, Wissenschaftler bauen die Version von den islamischen Terrorpiloten in ihre soziologischen und politischen Theorien, Politiker benötigen sie, um den „Krieg gegen den Terror“ zu rechtfertigen und als Anlass, bürgerliche Freiheiten einzuschränken oder abzuschaffen.

Tatsächlich waren die ersten Nachrichten nach den Anschlägen einigermaßen plausibel, wenn auch nicht fundiert: die Berichte von den muslimischen Selbstmordpiloten und dem lose geführten Terrornetzwerk, den Schläferzellen in Hamburg Harburg, den Teppichmessern, den Flugschülern, dem heroischen Widerstand im Flugzeug nach Shanksville usw. Denn angesichts der Katastrophe fiel das Denken schwer, von kritischem Fragen ganz zu schweigen; viele Menschen atmeten daher erleichtert auf, als sie die rasch veröffentlichten Darlegungen der US-Regierung vernahmen. Auch ich war froh, eine einigermaßen, so glaubte ich, stimmige Erklärung an der Hand zu haben. Doch die weitergehende Beschäftigung mit dem Thema in den darauf folgenden Jahren, die ganzen Ungereimtheiten, die ich an der offiziellen Version wahrnahm, ließ diese dann in meinen Augen wie ein Kartenhaus zusammenfallen.

Aber die Rede von „der offiziellen Version“ ist irreführend. Möglicherweise gibt es mindestens zwei offizielle Versionen. Zum einen die im September entstandene und die sich bis zum Mai 2002 verdichtende Kernversion. Dazu gehört die Liste mit den 19 Flugzeugentführern, die das FBI am 14. September bekanntgab. Dazu gehört auch die Ansprache George W. Bushs vor dem Kongress am 20. September 2001. Hier unterscheidet er zwischen islamischen Terroristen und friedfertigen Muslimen. Er spricht vom lose geführtem Terror-Netzwerk Al Kaida und dessen Spitze, Osama bin Laden, als dem Urheber der Taten, von dessen Ausbildungslagern in Afghanistan und dem Einfluss, den Al Kaida auf die Taliban ausübt, er adressiert ein Ultimatum an die Taliban und verspricht, einen globalen Krieg gegen den Terror zu führen.

In die Zeit des September 2001 fallen auch die Ursprünge der Anschuldigung, Saddam Hussein stecke hinter den Terroranschlägen. Paul Wolfowitz, damals stellvertretender Verteidigungsminister, äußerte sich am 17. September in einem Memo wie folgt: „Auch wenn nur eine 10 Prozent Wahrscheinlichkeit besteht, dass Saddam Hussein an den Terroranschlägen beteiligt ist, so ist der Beseitigung dieser Bedrohung höchste Priorität einzuräumen“ (Commission Report 2004, S. 335f.).

In den ersten Berichten über die Ereignisse des 11. Septembers, war nichts über die Einsturzursachen der Gebäude zu lesen. (So etwa in der Ausgabe der Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 13. September 2001, auch eine Woche später beschäftigt sich „Die Zeit“ nicht mit dieser Frage.)  Am 18. September 2001 erschien in der New York Times ein Beitrag, der in die Richtung argumentiert, dass das nach dem Einschlag der Flugzeuge entstandene Feuer die Stabilität der Gebäude zerstört habe. Einige Monate später, im Mai 2002, legt dann die Federal Emergency Management Agency (FEMA) einen Untersuchungsbericht vor, nach dem die bei den Einschlägen entstehenden Feuer die Stützbalken der Stockwerke angegriffen hätten und wahrscheinlich die Ursache für die Einstürze der Gebäude gewesen seien. Der Bericht vertritt auch die Auffassung, dass die unteren Stockwerke zusätzlich aufgrund der Last der darüberliegenden Stockwerke zusammengestürzt seien.

Zu der frühen Kernversion gehört die Geschichte von den 19 Kidnappern, von denen einige, als Piloten ausgebildet, die Maschinen steuerten. Das Boston-Center erkannte um 8:25 Uhr die Entführung des Fluges AA 11. Mit dem muslimischen Piloten Mohammed Atta im Cockpit, so die offizielle Version, krachte nun eine Boeing 767, Flug AA 11, in den Nordturm (Einschlag: 8:46 Uhr) und UA 175, gesteuert von Marwan al Shehhi, in den Südturm (Einschlag 9:03 Uhr) des World Trade Centers. Eine weitere Maschine, AA 77, im Cockpit saß Hani Hanjour, flog ins Pentagon (Einschlag 9.37 Uhr), schließlich, so heißt es, zerschellte eine andere von Ziad Jarrah geflogene Maschine (UA 93) um 10:03 Uhr in Shanksville, davor habe ein heroischer Kampf stattgefunden.

Doch schon einige Tage nach dem 11. September 2001 tauchten in den Medien Unklarheiten und Ungereimtheiten an der ersten offiziellen Version auf. Um nur einige zu nennen: Der britische Sender BBC hält fest, dass die Zahl der Kidnapper von ursprünglich 18 auf 19 erhöht worden sei. Schließlich heißt es sogar in einem BBC-Bericht vom 14. September 2001, dass einige der Kidnapper noch am Leben seien. Der FBI lastet auf seiner Webseite Osama bin Laden nicht die Terroranschlägen des 11. Septembers an. Das Bundesamt für Ermittlung gibt zu, dass ihm „keine klaren Beweise vorliegen, dass Osama bin Laden der Verantwortliche ist“.

Videos als Beweismaterial?

Oder: Warum streitet Osama Bin Laden am 28. September – in einem Interview mit der pakistanischen Zeitung Unmat in Karaschti – eine Beteiligung an den Attentaten ab? Am selben Tag war dann in einer Mitteilung von United Press zu lesen, bin Laden habe zwar etwas gegen das amerikanische System, nichts aber gegen das amerikanische Volk. Zudem gibt er kund, dass er Muslim sei und „der Islam verbietet es strengstens, unschuldigen Frauen, Kinder und anderen Personen etwas zu Leide zu tun“.

Vertreter der offiziellen Theorie verweisen oft auf Videos, in denen Bin Laden seine Täterschaft zugebe. Eines dieser Videos tauchte im Dezember 2001auf (vgl. etwa Griffin Tarpley 2005, S. 136 ff). Hier gibt sich Bin Laden als Auftraggeber der geheimen Mission der Kidnapper zu erkennen. Doch die Identität des in diesem Video abgebildete Bin Laden ist zweifelhaft: Er unterscheidet sich deutlich von der Gestalt des Bin Laden eines anderen Videos aus dem Jahre 1998. Was spricht für die Authentizität des Dezember Videos? Ist es andererseits nicht eine geheimdienstliche Fingerübung, falsche Spuren zu legen, wenn sich das Material zudem noch so leicht digital manipulieren lässt? Doch nehmen wir einmal es, das Video sei authentisch, wäre es dann nicht vollkommen ungereimt von Bin Laden am 28. September seine Beteiligung an den Anschlägen abzustreiten?

Zweite offizielle Version: Der Commission Report

Schließlich gibt es noch die Version des im Jahre 2004 erschienenen Commission Reportes. Was die unmittelbaren Ereignisse des 11. September betrifft, so gibt er die Version der Regierung wieder. Darüber geht der Report aber auf die Vorgeschichte ein, er macht auf Versäumnisse bei der Verteidigung aufmerksam (z.B. im 11. Kapitel) und stellt den von der Regierung postulierten Zusammenhang von Bin Laden und dem Irak in Frage (z.B. S. 61, S. 334ff). Zudem stellt der Commission Report im Sinne von „Blow-back-Theorien“ die terroristischen Angriffe teilweise als Reaktionen auf die amerikanische Außenpolitik dar.

Doch der 9/11 Commission Report legt keine schlüssigen Beweise für die Taten der Hijacker vor. Diese stehen für ihn einfach a priori fest. Umso mehr geht er auf die Geschichte islamischer Terroristen im allgemeinen ein und versucht so eine historische Linie zu den Anschlägen am 11. September 2001 zu ziehen. Zudem lässt der Report viele Fragen offen. Er beschreibt etwa auf keiner einzigen Seite, wie und warum das WT-7 Gebäude zusammenfiel. Wie konnten der Nord- und der Süd-Turm, zwei auf massiven Stahlträgern (davon 236 außen und 47 im Innern) gestützte Konstruktionen, die auch gegen das Einschlagen von Flugzeugen versichert waren, in beinahe freier Fallgeschwindigkeit in sich zusammenfallen? Wie konnten inkompetente Flugschüler, deren Flug-Lehrer ihnen sogar das Vermögen absprach, einfache Sportmaschinen zu fliegen, diese haarsträubenden, präzisen Manöver hinbekommen? (Hani Hanjour hatte auf dem Flughafen Bowie’s Maryland Freeway Airport seit Mitte August 2001 dreimal vergeblich versucht, eine Lizenz zum Fliegen eines der Flugzeuge des Flughafens zu erhalten. Seine Fluglehrer in Arizona schätzten ihn als unfähig ein. Ebenso bescheinigten die Fluglehrer der beiden Flugschüler Mohamed Atta und Marwan Al Shehi ihren Schützlingen Inkompetenz, wie die Washington Post am 19. September berichtet: „Hijack suspects tried many flight schools“).

Wie lassen sich die Spuren von geschmolzenem Stahl erklären, die, worauf der Physik-Professor Steven Jones hinweist, noch Monate nach den Vorfällen auf  „Ground Zero“ gefunden wurden? (brennendes Kerosin kann keinen Stahl zum Schmelzen bringen). Wo bleibt das Flugzeug, das angeblich in das Pentagon geflogen sein soll (Foto auf S. 313 des Commission Reportes)?

Nach dem Commission Report sollen die entführten Fluggäste aus hoher Flughöhe noch mit ihren Angehörigen mit Mobiltelefonen telefoniert haben (Vergleiche etwa die Seiten 9 und 13 des Reportes). Mittlerweile untersuchten verschiedene Autoren diese im Commission Report beschriebenen Telefonanrufe (z. B. hier). Sie gehen davon aus, dass es unmöglich gewesen sei, diese Telefongespräche aus der zum Zeitpunkt des Gespräches vorliegenden Flughöhe zu führen.

Oft nennt die  einschlägige Literatur auch den Besuch des damaligen Chefs des pakistanischen Geheimdienstes (ISI) eine Woche vor den Terroanschlägen in Washington, wo er sich als „Freund“ aufhielt. Doch der General hatte einige Zeit vorher 100 000 Dollar über einen Mittelsmann an Mohammed Atta überweisen lassen. Was steckt wohl hinter dieser Überweisung? War der ISI-Chef tatsächlich ein Freund der USA? Wer die Frage nach dieser Überweisung stellt, erntet Schweigen auf offizieller Seite. „Bis heute hat die US-Regierung noch nicht die Finanzierungsquellen der Anschläge des 11. Septembers aufdecken können. Letztendlich ist diese Frage von geringer praktischer Bedeutung“, heißt es lapidar im Commission Report auf Seite 172. Ich will hier nicht auf weitere Einzelheiten eingehen.

11. September 2001: Einige Autoren

Umfassend sind all diese Ungereimtheiten in hunderten von Aufsätzen, Büchern, Filmen und sonstigen Beiträgen erörtert worden. Mit nur einem kleinen Bruchteil der Publikationen habe ich mich befasst.

Einige dieser Publikationen beziehen ihre Quellen in erster Linie aus Internetquellen. Dazu gehört etwa das erste in deutscher Sprache erschienene Buch von Matthias Bröckers, das sich kritisch mit der offiziellen Version des 11. Septembers auseinandersetzt.

Das Buch von Andreas von Bülow: „Die CIA und der 11. September – Internationaler Terror und die Rolle der Geheimdienste“ ist meiner Meinung nach um einiges fundierter. Von Bülow liefert eine wesentlich plausiblere Erklärung der Einsturzursache als der Commission-Report und geht auch ausführlich auf das WT7-Gebäude ein. (Die skeptischen Stimmen zu diesem Buch bei Amazon zeugen m.E. nicht von kritischem Urteilsvermögen, es scheint eher, als seien sie aus einem Affekt geschrieben oder aus dem Wunsch, ohne plausible Argumente von Bülows gut recherchierten Aussagen zu diskreditieren).

Eine sehr detaillierte Abhandlung stammt von dem Historiker Webster Griffin Tarpley („9/11 Synthetic Terror: Made in USA“). Im Gegensatz zu den meisten seiner amerikanischen Kollegen wertet Tarpley, der zehn Jahre in Europa lebte und mehrere Sprachen spricht, auch europäische Quellen aus. Er vertritt die MIHOP-Version der Ereignisse des 11. Septembers 2001 (siehe oben). Für diese These kann er Belege finden: mit der ausführlichen empirischen Analyse der Ereignisse des 11. September und deren Integration in einen größeren theoretischen Zusammenhang. Er verbleibt aber nicht nur bei der Analyse der Ereignisse dieses Tages, sondern fragt auch nach den gesellschaftlichen, ökonomischen und geistigen Bedingungen der Massensuggestion, des ergebenen Schluckens der offiziellen Version. Außerdem befasst er sich ausführlich mit der Rolle von Geheimdiensten, privaten Kriegsfirmen und Interessensnetzwerken.

Ein jüngerer Versuch, in erster Linie von der offiziellen Lesart ausgehend und die inneren Widersprüche dieser Version aufzeigend, kommt von David Ray Griffin. (The New Pearl Harbor Revisited: 9/11, the Cover-Up, and the Exposé, Oktober 2008, zuerst: The New Pearl Harbor 2004)

Auswahl weiterführender Literatur

Bülow, Andreas von: Die CIA und der 11. September. Internationaler Terror und die Rolle der Geheimdienste. München – Zürich: Pieper, 2004

Chossudovsky, Michel: America’s „War on Terrorism“. 2. Auflage. Pincourt / Québec, 2005a

Griffin, David Ray: The New Pearl Harbor. Disturbing Questions about the Bush Administration and 9/11. by David Ray Griffin. Foreword by Richard Folk. Northhampton – Massachusetts: Olive Branch Press, 2004

National Commission on Terrorist Attacks upon the United States: The 9/11 Commission Report. Final Report. Erste Auflage. London – New York, 22. Juli 2004

Tarpley, Webster Griffin: 9/11 Synthetic Terror. Made in USA. 3. Auflage. Joshua Tree: Progressive Press, 2006

Ein jüngerer Versuch, in erster Linie von der offiziellen Lesart ausgehend und die inneren Widersprüche dieser Version aufzeigend, kommt von David Ray Griffin. (The New Pearl Harbor Revisited: 9/11, the Cover-Up, and the Exposé, Oktober 2008, zuerst: The New Pearl Harbor 2004)

Auswahl weiterführender Literatur

Bülow, Andreas von: Die CIA und der 11. September. Internationaler Terror und die Rolle der Geheimdienste. München – Zürich: Pieper, 2004

Chossudovsky, Michel: America’s „War on Terrorism“. 2. Auflage. Pincourt / Québec, 2005a

Griffin, David Ray: The New Pearl Harbor. Disturbing Questions about the Bush Administration and 9/11. by David Ray Griffin. Foreword by Richard Folk. Northhampton – Massachusetts: Olive Branch Press, 2004

National Commission on Terrorist Attacks upon the United States: The 9/11 Commission Report. Final Report. Erste Auflage. London – New York, 22. Juli 2004

Tarpley, Webster Griffin: 9/11 Synthetic Terror. Made in USA. 3. Auflage. Joshua Tree: Progressive Press, 2006

Kommentare

Eine Antwort zu „11. September 2001: Das Geschehen am Tag“

  1. […] Tag der Niedertracht, 11. September 2001: Alternative Theorie und welche Reaktionen sie auslöst, 11. September 2001: Das Geschehen am Tag, 11. September 2001: Die Folgen der offiziellen Version, Acht Jahre danach – Gedenkroutine und […]

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