Was wir über die gesellschaftliche Wirklichkeit wissen, wissen wir von den Massen-Medien. So ähnlich drückte sich einst Niklas Luhmann aus. Diese Aussage stimmt zum großen Teil, dennoch gibt es immer wieder Autoren, Journalisten, Reporter, Berichterstatter, Augenzeugen oder unkonventionelle Wissenschaftler, die jenseits der eingeschliffenen Informations- und Deutungsroutinen der etablierten Massenmedien über die Welt, so wie sie uns / ihnen erscheint, berichten.
In Korea interessiert sich die veröffentlichte Meinung für das Inland. Natürlich trifft dies auch für andere Länder zu. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass die Aufmerksamkeit, die die koreanischen Medien dem Inland widmen, unverhältnismäßig größer ist als die der Medien in anderen Ländern. Die täglichen Nachrichtensendungen der staatlichen Fernsehanstalten dauern bis zu 45 Minuten oder länger. Nachdem die Nachrichtensprecher etwa eine halbe Stunde Innerkoreanisches abgehandelt haben, verlesen sie dann Nachrichten zur übrigen Welt. Befassen sie sich in den ersten 30 Minuten mit einen Lebensmittelskandal in einer Schule, berichten über Spielsucht oder über Bestechungsskandale – ein Dauerrenner sind hier schwarze Kassen von und an Samsung -, informieren sie dann im letzten Drittel der Sendezeit den Zuschauer darüber, dass irgendwo ein Krieg ausgebrochen ist oder eine Naturkatastrophe sich ereignete. In Deutschland ist es umgekehrt: Zunächst erfährt der Zuschauer etwas über die Naturkatastrophe oder über den Kriegsausbruch, dann über den Bestechungsskandal im Inland.
Zu den wichtigsten koreanischen Zeitungen gehören die Chosun Ilbo, die Dong-a Ilbo, die Joong-ang Ilbo und die Hankyoreh. Leider bin ich des Koreanischen noch nicht so mächtig, dass ich koreanische Zeitungen verstehen kann. So bleibt immer noch die Möglichkeit, in eine der englischsprachigen Tageszeitungen zu schauen: Die Korea Times, die durchaus ein relativ breites Meinungsspektrum abbildet, ist die älteste englischsprachige koreanische Tageszeitung. Allerdings fällt mir hier ein Rutsch auf: Seit die neue konservative Regierung im Amt ist, sind einige Journalisten auch etwas konservativer geworden. Man möchte sich offenbar mit den neuen Machthabern arrangieren. Der Korea Herald vertritt ähnliche Positionen wie die Korea Times. Die eher links-liberale Hankyoreh kommt auch heraus als englischsprachiger Internetableger. Die recht konservative Joong Ang Daily erscheint als englischsprachige Beilage des International Herald Tribune. So kann der Leser sich unterrichten im eher progressiven International Herald Tribune, der viele Artikel der New-York Times übernimmt, und wenn er dann genug hat von der selbstkritischen Amerika-Reflexion und dem recht facettenreichen Weltbild dieser bekannten US-Zeitung, kann er sich ja zur Beilage wenden: Hier erfährt er wieder mehr über Korea aus der Perspektive des „kleinen Bruders“: „Die USA sind unser großer Bruder, der uns vor den bösen Nordkoreanern schützt. Wir dulden keine Kritik am großen Bruder (Erinnerungen an die Springer-Presse werden wach). Wir haben uns dessen in unserer Innen-, Außen- und Wirtschaftspolitik stets eingedenk zu sein“.
Die englischsprachigen Zeitungen schreiben American- aber kein British-English. Sie übernehmen ungefiltert viele Pressemeldungen amerikanischer Presseagenturen, so dass man den Eindruck bekommen kann, Süd-Korea sei der 51. Bundesstaat der USA. Wenn etwa in solchen Artikeln von Nachrichtenagenturen oder wenn in Kommentaren, die die koreanischen Zeitungen 1:1 übernommen haben, von „der Regierung“ oder „den Abgeordneten“ die Rede ist, sind damit also nicht etwa die koreanische Regierung oder die koreanischen Abgeordneten gemeint, sondern die US-amerikanische Regierung und die US-amerikanischen Abgeordneten. Schließlich gibt es noch meines Wissens die Seoul Times, die nur als Internet-Ausgabe erscheint.
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