Gedanken über die Irankrise in der Korea Times

Die Berichte und Stellungnahmen der „Korea Times“ zur Irankrise spiegeln eine große Bandbreite von Positionen wieder. Die Korea Times hat keine klar umrissene Haltung zum Iran, wenngleich in letzter Zeit sich dort die moderateren Stimmen eher artikulieren. Für den kritischen Leser ist das recht informativ, denn so kann er die Argumente derjenigen, die einen harten Kurs in Bezug auf den Iran befürworten, mit den Sichtweisen derjenigen vergleichen, die vor einer weiteren Eskalation warnen. Eine nähere Betrachtung verdeutlicht auf diese Weise, dass die Befürworter schärferer Maßnahmen oft keine Argumente, sondern nur Mutmaßungen und Fehlinformationen aufbieten können. Die folgenden Ausführungen dienen dazu, einige der in der Korea Times veröffentlichten Positionen zu kommentieren.

Eine Begrüßungsansprache, die keine ist

David B. Rivkin und Lee A. Casey vergleichen, auf den Hollywood-Film „300“ anpielend, in ihrem Artikel („Get tough on Iran“) den derzeitigen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad mit dem Iranischen König Xerxes, den sie als einen „zweidimensionalen Tyrannen“ bezeichnen. Ahmadinedschad trete in die Fußstapfen des Xerxes. Somit rücken sie den iranischen Präsidenten in die Nähe eines Diktators. Dan K. Thomasson stimmt mit Lee Bollinger, dem Präsidenten der Columbia Universität überein, wenngleich Bollinger unhöflich gewesen sei. Der iranische Präsident hielt im September eine Rede an der Columbia Universität. Bollinger sagte zuvor in seiner Begrüßungsansprache, Ahmadinedschad „zeige alle Merkmale eines kleinlichen und grausamen Diktators“ (Thomasson).

Norman Podhoretz, ein Berater des amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Guiliani, meinte jüngst, Ahmadinedschad sei „wie Hitler“, während Senator John Kyl das heutige Iran mit dem nationalsozialistischen Deutschland Anfang der dreißiger Jahre vergleicht: „Im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges versagte Europa dabei, die Warnungen zu beachten“ (Bandow).

Irreführende historische Parallelen

Ungeachtet der Tatsache, dass Deutschland vor dem zweiten Weltkrieg die mächtigste Kontinentalmacht war und Iran einem mit Atomwaffen ausgerüsteten Israel nicht Paroli bieten kann, lässt sich fragen: Ist diesen Leuten unbekannt, dass der iranische Präsident nicht die oberste Instanz im Iran ist? Die höchste exekutive Gewalt hat der oberste Revolutionsführer (seit 1979 Seyyed Alī Chāmene’ī) und in dessen Abwesenheit der oberste Revolutionrat. Ahmadinedschad hat keine Befehlsgewalt über die Armee, er ist nur eine Art Geschäftsführer in der iranischen Exekutive, ähnlich anderen Regierungschefs, die verfassungsmäßig unter starken Präsidenten stehen.

Nach Thomasson befördere Ahmadinedschad Politik Terrorismus, Anti-Semitismus und nukleare Destabilisation. Dies behauptet auch Jim Hoagland in seinem am 18. April erschienenen Beitrag. Thomasson bemüht, wie viele andere konservative Politiker, den Gemeinplatz, Ahmadinedschad habe gesagt, Israel solle zerstört, d.h. „von der Landkarte ausradiert werden“. Der ianische Präsident hat nie davon gesprochen, „Israel von der Landkarte auszuradieren“. Dagegen wendet er sich gegen einen zionistischen Staat, der einen erheblichen Teil seiner Bürger als Menschen zweiter Klasse behandelt und einem anderen Teil, in dem von ihm besetzten Gebieten, elementare Rechte verwehrt.

Ein Stellvertreter-Krieg im Irak mit einigen Dutzend Kämpfern

Der auch von vielen Politikern bemühte Terrorismus-Vorwurf steht meistens unbegründet im Raum. Die beiden US Senatoren Kyl und Lieberman bezeichneten den Iran im September als terroristischen Staat, der einen Stellvertreter-Krieg gegen US-Truppen im Irak führe. In einer Gesetzesvorlage forderten sie im September dazu auf, deshalb gewaltsam gegen den Iran vorzugehen. Der irakische Widerstand gegen die Besatzungstruppen setzt sich aber zum größten Teil aus einheimischen Kämpfern (oft auch als „Terroristen“ bezeichnet) zusammen. Der Anteil der ausländischen Personen unter den Kriegsgefangenen bewegt sich etwa um die vier Prozent 1). Die meisten ausländischen „Kämpfer“ im Irak – nach den US-Soldaten – kommen aus Saudi Arabien. Es mag durchaus zutreffen, dass einige Millionen Dollar vom Iran an solch militante Organisationen wie die Hisbollah fließen. Ist diese Militärhilfe aber nicht lächerlich, im Vergleich zu der milliardenschweren Militärhilfe, mit der Washington die einzige Nuklearmacht im Nahen Osten, Israel, unterstützt?

Auch der Autor dieses Blogs macht darauf aufmerksam, dass Iran als Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrages dazu berechtigt ist, Kernenergie friedlich zu nutzen. Natürlich muss er dazu mit der Internationalen Atomenergie-Behörde kooperieren. Nach IAEA-Angaben schafft es Iran gerade ein Mal, Uran auf einen Anteil von etwa 3,7 Prozent mit U 235 anzureichern (waffenfähiges Uran besitzt üblicherweise einen Anteil von 85% des Uranisotops U 235). Nach Bandow und anderen Experten ist Iran Jahre davon entfernt, gebrauchsfertige Nuklearwaffen zu produzieren.

Unangemeldete Inspektorenbesuche im Los Alamos Laboratorium?

Andererseits darf man fragen, warum gerade der Iran, der Atomenergie zu friedlichen Zwecken nutzen will, kooperieren soll, während andere Atomwaffenstaaten, die zugleich Signatarstaaten des Atomwaffensperrvertrages sind, weiter unbehelligt aufrüsten dürfen und sogar ihre Nukleartechnologie verkaufen können? Es wäre wohl unvorstellbar, wenn IAEA Inspektoren derjenigen Macht, die derzeit am effektivsten den Atomwaffensperrvertrag beschädigt (etwa durch die Entwicklung neuer Kernwaffentypen 2) oder den Export von Kerntechnologie. z.B. nach Indien), auf die Finger sähe, denkbar, aber in der Praxis unvorstellbar, wären unangemeldete Besuche im Lawrence Livermore-, im Sandia- oder im Los Alamos Laboratorium.

Bush kann sich aber nicht auf ungeteilte Unterstützung im konservativen Lager oder in Militärkreisen berufen. Der amerikanische Präsidentschaftskandidat Ron Paul, über den die etablierten Medien meistens schweigen, fordert einen Rückzug aus dem Irak und hält allein schon die Diskussion über einen Angriff auf den Iran für vollkommen verfehlt. In der Korea Times behauptet Doug Bandow, ehemals Sonderberater des früheren Präsidenten Reagan, es sei nicht Iran, sondern Washington, das derzeit einen größeren Konflikt riskiert auszulösen, einen Konflikt, der sich „jenseits des Vorstellbaren“ steigern könne. Wesley Clark, ehemals Nato-Oberkommandierender, äußert sich ebenfalls skeptisch über einen Krieg mit dem Iran. Denn dieser könne in der Region eskalieren, und er sei zum Scheitern verurteilt, wenn die Fähigkeit nicht vorhanden sei (wie im Irak), einen „wünschenswerteren Endstaat“ zu installieren.

Gefährliches Spiel mit dem Feuer

Dieselben Propagandamechanismen, wie sie sich zeigten vor der im Jahre 2003 begonnenen Operation „Iraqi Freedom“, treten leider wieder in Erscheinung. „Diejenigen, die die Trommeln schlagen und auf die iranische Bedrohung aufmerksam machen, beginnen ihre eigenen Geschichten zu glauben“, meint Behzad Shahahandeh. Um die destruktive Hetze gegen den Iran zu erkennen, muss man kein Prophet sein. Es reichen offene Augen. Die Machthaber im Iran verletzten oft Menschenrechte, etwas das auf freie Meinungsäußerung. Man muss nicht ihr Freund sein, um das gefährliche Spiel mit dem Feuer und die Doppelmoral in den Äußerungen vieler westlicher Politiker, Wissenschaftler und Journalisten zu erkennen.

1) Siehe Arnove, Anthony: Iraq. The Logic of Withdrawal. New York: Metropolitan, 2007, S. 55ff.
2) Dazu sind die Ausführungen von Helen Caldicott sehr instruktiv. Danach ver
fügen in den USA Nuklearwissenschaftler in den nächsten zehn Jahren über ein Budget von 5 Milliarden Dollar jährlich. Sie können damit neue Atomwaffen entwerfen, entwickeln oder testen. Zu diesen neuen Waffen zählt etwa eine Modifikation der bunkerbrechenden B61-11, gehören Trident Raketen für Nuklear-U-Boote, Mini Nukes oder Neutronen-Bomben (Helen Caldicott: The Nuclear Danger. George W. Bush’s Military-Industrial Complex. New York – London, New Press, 2004).

Einige Artikel der Korea Times, die sich mit Iran befassen

AFP: „Iran Nuclear Crisis Heats Up With New Sanction“. 27.-28. Oktober 2007.

AFP: „All Options on Table With Iran: US. 18. September 2007, S. 6

Bandow, Doug: „Iran and World War III“. 8. November 2007, S. 8

Clark, Wesley: „Next War Will be Different, Get Ready“. 18.9.2007.

Herbermann, Marc: „Americas Deadly Spin on Iran. 9. November 2007

Hoagland, Jim: „How to Rein in Iran Without War. 7. November 2007, S. 8

-: „Feeling the Heat in Iran“. 18. April 2007, S. 8 Rivkin, David B. & Casey,

Lee A: „Get Tough on Iran“. 3. April 2007, S. 11

Shahahandeh, Behzad: „Silence War Drums on Iran“. 6. Februar 2007, S. 8

Thomasson, Dan K.: „Ahmadinejad’s Visit Was Diplomatic Bust“. 1. Oktober 2007, S. 9


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