Der Gipfel I – Spannung am Vortag

Gespannt schauen heute die Menschen vieler Länder nach Korea: Die Koreaner selbst, die Bewohner der Länder der Region (vor allem diejenigen in Japan und China), die Amerikaner, Russen, Europäer … Morgen beginnt der bis zum 4. Oktober 2007 dauernde zweite innerkoreanische Gipfel. Der erste fand statt vor knapp sieben Jahren in P’yöngyang vom 13. bis zum 15. Juni 2000.

Damals trafen sich Kim Jŏngil, der „geliebte Führer“ aus Nordkorea, und sein südkoreanischer Kollege, der Staatspräsident Kim Daejung. Der geliebte Führer aus dem Norden wird auch morgen zugegen sein, aber der Mann aus dem Süden ist ein anderer: Roh Muhyŏn, der Anfang des nächsten Jahres fünf Jahre Staatspräsident sein wird. Es ist geplant, dass er symbolträchtig die Grenze an der Demilitarisierten Zone (DMZ) überschreitet. Eigentlich war in diesem Jahr Kim Jŏngil als Besucher an der Reihe: In Korea folgt auf einen Besuch von A bei einem Gastgeber B in der Regel Bs Gegenbesuch bei A. Kim fürchtet sich aber vor dem Reisen; Flüge meidet er ganz, selten ist er mit dem Zug unterwegs. Nie wird Genaueres über seine Reiserouten bekannt, und auch das Besuchsprogramm des morgigen Gipfels und seine Protagonisten (wer wird etwa die First-Lady des geliebten Führers abgeben?) ist noch ein Geheimnis.

Die Frau an seiner Seite

Kim möchte also lieber im Norden bleiben, Roh ist zudem jünger als Kim, und da in Korea der Jüngere dem Älteren Respekt zu erweisen hat, wird sich Rohs Gang nach P’yŏngyang (aus konservativer Sicht vielleicht ein Canossagang?) politisch eher vertreten lassen.

Friedensbrücke, Paju, nahe der DMZ – eigene Aufnahme


Roh (oder auch Noh geschrieben), setzt die von Kim Daejung ins Leben gerufene „Sonnenscheinpolitik“ weiter: Das Anerkennen der Sicherheitsbedürfnisse des Nordens bei gleichzeitiger Wachsamkeit, multilaterale Gespräche, Förderung des wirtschaftlichen und – in Ansätzen – kulturellen Austausches, sowie Energie- und Lebensmittellieferungen in den Norden. An der Grenze im Norden entwickelte sich seit dem ersten Gipfel insbesondere ein Tourismusprojekt in den Kŭmgang Bergen. Finanzspritzen hierfür gab der Hyundai-Konzerns, dessen Gründer Chŏng aus Nordkorea stammte.

Auf dem diesjährigen Gipfeltreffen stehen inhaltliche aber auch eher symbolträchtige Programmpunkte. Der strittige Punkt der Denuklearisierung wird nicht dominieren. Dafür geht es mehr um Fragen des wirtschaftlichen und kulturellen Austausches, um vertrauenssbildende Maßnahmen, die vielleicht in einer gemeinsamen Friedenserklärung einmünden werden. Der südkoreanische Präsident könnte anregen, einen zweiten Industriekomplex in Nordkorea einzurichten, ähnlich dem bereits bestehenden in Gaesŏng. Andere Stimmen sagen, die koreanische Land-Kooperation wolle im Norden für 11 Milliarden Dollar elf Städten infrastrukturell unter die Arme greifen. Auch könnten die Gespräche morgen das Wieder-flott-Machen der Gaesŏng-P’yŏngyang Autobahn streifen. Ein wichtiger Bestandteil des morgigen Programmes wird jedenfalls der gemeinsame Besuch der Arirang Vorstellung sein. Vor allem Jugendliche und Kinder aus Nordkorea sollen akrobatische Kunststücke vorführen, bei denen die Massen auch – für den Beobachter scheinbar – computergesteuert zu einer Person oder zu einem Bild verschmelzen, ein Kunststück, das die Südkoreaner heute nicht mehr beherrschen – dafür können sie hochauflösende Breitbildschirme herstellen.

Konservative südkoreanische Politiker spielen die Wichtigkeit des Treffens herunter, viele titulierten es gar als flankierendes Arbeitstreffen neben den Sechs-Mächte Gesprächen, hieß es heute in der Korea Times. Der dialogbereite, aber krisengeschüttelte und wirtschaftliche nicht sehr erfolgreiche südkoreanische Präsident wird sicher auch versuchen, das Treffen zu nutzen, seine sinkende Popularität aufzumöbeln. Eine medienwirksame Inszenierung der Gespräche wird ihm helfen, den Ausgang der Wahlen, Ende des Jahres, zugunsten der von ihm vertretenen Politik zu beinflussen.

 

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