Laute im öffentlichen Raum

Koreaner sprechen meist wohldosiert im öffentlichen Raum. In Bussen und Bahnen fallen in der Regel Ausländer auf, wenn sie wild gestikulieren oder sich laut offenbaren, vornehmlich Amerikaner oder Leute aus dem Südosten Asiens.

Leise und laute Menschen

Aber auch Koreaner sprechen gelegentlich sehr laut in der U-Bahn oder im Bus, meistens dann, wenn sie vorher zu tief ins Glas geschaut haben. Einige Koreaner brüllen in ihr Mobiltelefon, auf der Straße oder im U-Bahn Schacht, auch dann (oder gerade dann?), wenn weit und breit niemand in ihrer Nähe ist. Vielleicht macht die Schwerhörigkeit der Person am anderen Ende der Leitung diese lauten Mitteilungen erforderlich.
In deutschen Bussen und Bahnen hören Jugendliche gerne bis zum Anschlag Techno oder Heavy-Metal mit ihrem MP3-Player oder ihrem Walkman. In Korea hören Leute äußerst selten auf diese Weise Musik. Stattdessen kündigen klassische Klänge in öffentlichen Verkehrsmitteln – etwa eine Melodie von Mozart oder ein Kanon von Bach – das baldige Ende der Fahrt an, oder sie zeigen, dass man bei der nächsten Station umsteigen kann. Das stände auch deutschen Bussen und Bahnen gut zu Gesicht: statt blechernen Ansagen oder schrillen Signaltönen, wohlklingende Laute, wichtige Etappenziele ankündigend.

Zum akustischen (und optischen) Bild im öffentlichen Raum gehört auch das Spucken. In Deutschland spucken gelegentlich Jugendliche auf den Bürgersteig. Hier spucken – meistens recht laut – ältere Männer, aber auch Frauen, auf die Straße oder auf den Boden des Bahnhofs.

Elektrisch verstärkte Marktschreier

In Stadtteilen oder in kleineren Städten, wie in Gwacheon, verbreiten oft Händler ihre Parolen via Lautsprecher, der auf ihrem Lastwagen installiert ist. Die Endlos-Tonbänder sollen Käufer anlocken. So werden die Bewohner ganzer Stadtquartiere oft Opfer einer stundenlangen Dauerberieselung. Merkwürdig, die Parolen erinnern mich vom Rhythmus und der Melodie an das Fueko, das wir in Deutschland während unserer Zen-Sitzungen rezitierten, dasselbe An- und Abschwellen der Satzmelodie, der gleiche inständige oder befehlende Ton: Ne ga wa kuwa kono ku do ku wo motte amane ku issai ni oyo bo shi – ware ra to shu jo to mina to moni butsudo wo jo zen koto o. Vielleicht hat diese Bitte nach einer geistigem Gabe, dem Verwirklichen des Erwachens, etwas mit dem Verkaufen von Gemüse zu tun.

Die Verwaltung und die Polizei nutzen auch gerne den Lautsprecher. Ich kann die Durchsagen meistens nicht verstehen. Sind diese so wichtig, dass die Bewohner eines ganzen Stadtteiles sie erfahren müssen?

Marktschreier preisen ihre Waren in Deutschland oftmals lautstark an, etwa auf dem Bonner Markt in der Nähe des Rathauses. Doch schreien in deutschen Geschäften Leute in der Lebensmittelabteilung, dass sie die süßesten und schönsten Äpfel oder den größten Fisch anzubieten haben, so dass man es im ganzen Geschäft hören kann? In Korea schon.

Melodie des Mülls

Angenehm fällt hier in Gwacheon die Müllabfuhr auf. Sie kündigt sich mit einem bekannten koreanischen Volkslied an. So hat auch derjenige, der verschwitzt hat, die kleinen Eimer und Müllsäcke rechtzeitig an den Straßenrand zu stellen, noch im letzten Moment dazu die Möglichkeit, hört er die Melodie, die der herannahende Lastwagen verbreitet. Dieser Müllwagen ist auch kleiner als der mir aus Deutschland bekannte. Denn er holt öfter den Müll ab als in Deutschland, und im Laufe einer halben Woche sammelt sich davon vergleichsweise wenig an. Im Sommer stehen also in Gwacheon keine stattlichen, von mehreren Haushalten benutzten – und leider stinkenden – Mülltonnen herum, wie dies manchmal in anderen Ländern der Fall ist.


Leute ziehen in Korea gerne um und ein. Jemand, der eine neue Bleibe bezieht, richtet sich seine neue Wohnstätte oft nur wenige Tage vor dem Einzugstermin ein (also nicht von langer Hand geplant und durchgeführt). Das Hämmern, Bohren, Schlagen, Schrauben und Sägen ist dann bis spät in die Nacht zu hören, auch an Sonntagen. Wir hören hier auch gelegentlich Leute, die am Sonntag die Bohrmaschine für einige Stunden zur Hand nehmen. In Deutschland gäbe dies recht viel Ärger. Es wäre dort ein Grund, dem Störenfried die Meinung zu sagen, zum Hausmeister zu gehen oder gar die Polizei zu verständigen.
Ach ja, von fahrbaren Untersätzen geht bei Umzügen oder zu anderen Gelegenheiten eine anhaltende Geräuschkulisse aus, dann, wenn es nicht erforderlich ist (dazu mehr im Eintrag vom 16. Januar). Ein Lastwagen steht stundenlang vor dem Haus, die Leute laden ein und aus und der Motor läuft – warum eigentlich?


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