Helden der Arbeit
Die Begegnung mit einer fremden Kultur kann überraschen, erfreuen und verunsichern, manchmal erschüttert sie das eigene Weltbild. Der aus dem individualisierten Westen Kommende erfreut sich an der großen Gastfreundschaft der Koreaner, während ihn ihre starke Familienorientierung eher überrascht. Befremdet schaut der deutsche Beobachter, durch den Sozialstaat verwöhnt, auf die Arbeitswut der Koreaner, die – wesentlich „unbeschwerter“ durch arbeitsschutzrechtliche Regelungen – am Tag des Herrn arbeiten, Überstunden machen (sofern es davon überhaupt ein ausgeprägtes Verständnis gibt) und auch Nachtschichten im Büro einlegen.
Wozu brauchen wir Planungen?
Einerseits strukturieren ausgeprägte Regelungen und Planungen einige Bereichen der koreanischen Gesellschaft, so müssen z.B. Lehrer und Professoren oft sehr detaillierte Unterrichtskonzeptionen vorlegen, vor denen ihre Kollegen in anderen Ländern erschauern würden – andererseits scheuen gerade viele Koreaner vor langfristigen Planungen zurück. Die Organisatoren von Tagungen akquirieren gelegentlich zusätzliche verantwortliche Mitorganisatoren erst weniger als zwei Wochen vor dem Stattfinden der Tagung, das erlebte ich ein Mal selbst als so dazugekommener „Mitorganisator“.
Flexibilität und Geschwindigkeit
Als 2005 Korea das Gastland der Buchmesse in Frankfurt war, meinten die dortigen Aussteller, dass die Koreaner wohl nicht mehr rechtzeitig ihre Stände aufstellen könnten – zu deren Überraschung standen diese aber zu Beginn der Messe, die Koreaner hatten in einer Parforce-Aktion die Nacht vorher alles fertig gestellt. Auch Angestellte erhalten oft erst wenige Tage vor wichtigen Sitzungen Bescheid über den Termin dieser Sitzung oder dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt a an einem Ort b eine Tätigkeit c ausführen sollen. Vielleicht wollen die verantwortlichen Entscheider so immer noch kurzfristigen Dispositionsspielraum behalten – oder wollen sie so die Loyalität ihrer Angestellten zu überprüfen?
Koreaner sitzen viel länger im Büro als Angestellte in anderen OECD-Staaten
Die Zahl der Stunden, in denen Koreaner Geld verdienen, übersteigt bei weitem die Zahl der Stunden erwerbstätiger Menschen in vergleichbaren entwickelten Staaten. Nach einem Regierungsbericht, der Unternehmen mit mehr als fünf Mitarbeitern untersuchte, waren die dort Beschäftigen monatlich durchschnittlich 191,4 Stunden erwerbstätig in den ersten elf Monaten im Jahre 2006, sagte der Arbeitsminister. Koreaner arbeiten für Geld länger als die Beschäftigten in allen anderen OECD Staaten. Im Jahre 2005 schufteten sie durchschnittlich 2534 Stunden – das sind 629 Stunden mehr als der OECD Durchschnitt (Korea Times 20.2.2007).
Vor vier oder fünf Jahren war diese Kluft aber noch breiter sagte mir ein Mal Stefan Machleb, der Leiter der deutschen Schule Seoul. „Zu dieser Zeit waren fast alle Geschäfte hier rund um die Uhr geöffnet; mittlerweile wissen die Koreaner aber durchaus den Wert der Freizeit zu schätzen“. Die Globalisierung macht also auch vor Korea nicht Halt.
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