Das Leben eines Schneemannes

20. Dezember 2006

Am Sonntag, 17. Dezember 2006 haben wir den Schneemann gebaut. Groß haben wir ihn gebaut, etwa zwei Meter. Wir stellten ihn an den Wegrand. Schließlich soll er niemanden behindern, dachten wir. Nun verbrachte er einige Zeit auf den kalten Asphaltsteinen vor dem Parkplatz, der sich in der Nähe des Stadions befindet. Wir leben in Gwacheon, in Süd-Korea. Ich bin im April 2005 gekommen. Gwacheon befindet sich in der Nähe von Seoul; vielleicht gehört es auch zu Seoul?

Oft gehe ich hier laufen. In der Regel komme ich am Stadion und am Parkplatz vorbei. Als ich heute, am Mittwoch, 20. Dezember, wieder laufen gegangen bin, habe ich den Schneemann vergeblich gesucht. Dort, wo wir ihn aufstellten, hat er nicht mehr gestanden. Ist er geschmolzen? Oder ist er infolge einer Windbö umgefallen? Ich habe nicht den Eindruck gehabt. Es hat mehr nach einem Attentat ausgesehen.

Am Sonntag hieß es noch: Die Leute gehen zu eurem Schneemann, sie lassen sich vor ihm fotografieren. Tatsächlich machten einige Eltern Bilder von ihren Sprösslingen, die sich munter vor den Schneemann stellten. Sie freuten sich über den Schnee, darüber, dass der Winter mit seiner weißen Pracht viel Gelegenheit zum Spielen gibt. Auch in Gwacheon schaufeln die Bürger Schnee, sobald es anfängt zu schneien; am Sonntag schien mir diese Tätigkeit aber nicht so übertrieben zu sein wie ich dies aus deutschen Städten gewohnt bin. Meldet sich der Winter, greifen viele Deutsche zu riesigen Schneeschaufeln und Besen, um damit die ersten Schneeflocken zu beseitigen. Mir sind die unangenehmen Geräusche der kratzenden Blechschaufeln noch in guter Erinnerung, die auch dem zartesten Flaum zu Leibe rücken wollen.

Am Sonntagmittag kamen wir wieder, da stand er noch, auch wir haben von ihm Bilder gemacht. Ich dachte, er wird lange stehen bleiben, solange bis er geschmolzen ist oder jedenfalls, so glaubte ich, er wird länger überleben als drei Tage.

Aber vielleicht war unser Schneemann tatsächlich in den vergangenen Tagen zu einer unansehnlichen Masse geschrumpft? Dann wäre seine amtliche Beseitigung für mich eher nachvollziehbar gewesen. Aber, nach den Temperaturen zu schließen, die zur Zeit hier herrschen, dürfte dies nicht der Fall gewesen sein.


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